Warum Renault bei der Entwicklung von E-Fahrzeugen mit der Feuerwehr zusammenarbeitet
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Bereits 2010 ging die Renault Group eine einzigartige Kooperation mit der Feuerwehr zur Verbesserung der Sicherheit ein. Damit sind die Franzosen der weltweit einzige Automobilhersteller, der bereits bei der Fahrzeugentwicklung Hand in Hand mit den Rettungskräften zusammenarbeitet.
Text: Rafael Künzle
Feuerwehrmänner in voller Ausrüstung und bereit für ihren nächsten Einsatz sind im Technical Centre der Renault Group in Lardy (FR) oder im Technocentre in Guyancourt (FR) kein seltener Anblick. Dabei droht für einmal kein Feuer, die «Pompiers» absolvieren lediglich Übungseinsätze. Seit 2010 unterhalten der Automobilhersteller und die Feuerwehr eine Kooperation, um den Rettungsprofis ihre Arbeit bei Verkehrsunfällen zu erleichtern.
Die Experten für tertiäre Sicherheit aus der Entwicklungsabteilung der Renault Group veranstalten regelmässig Trainings zur Rettung von Fahrzeuginsassen, um den Feuerwehren realitätsnahe Simulationen entsprechender Einsätze an neuen Modellen bereits vor deren Markstart zu ermöglichen. „Meine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, bereits während der ersten Entwicklungsphasen eines neuen Modells eng mit den Ingenieuren zusammenzuarbeiten und ihnen zu vermitteln, welche Anforderungen ein Fahrzeug aus Sicht der Rettungskräfte erfüllen sollte. Wir Feuerwehrleute profitieren gleichzeitig von diesem Austausch, weil wir dadurch über die technischen Errungenschaften, aber auch Einschränkungen im Bilde sind, die im Fahrzeugdesign eine Rolle spielen. Das hilft uns, unsere Rettungsmethoden noch effizienter und zielgerichteter zu entwickeln“, sagt Christophe Lenglos, Lieutenant-Colonel bei der Feuerwehr des Departments Yvelines und Teil der Entwicklungsabteilung der Renault Group.
Die Experten für passive Sicherheit in Lardy bieten mit ihrer umfangreichen Sammlung verunfallter Fahrzeuge beste Testvoraussetzungen. „Die Renault Group lässt die Feuerwehren an unseren Entwicklungs-Prototypen trainieren, sodass sie sich mit den modernsten Technologien und Designs vertraut machen können“, erklärt Claire Petit-Boulanger, Expertin für tertiäre Sicherheit bei der Renault Group. „Pro Jahr kommen so rund 500 Fahrzeuge der jüngsten Generation zum Einsatz, um die Insassenbergung und andere Rettungsmassnahmen zu optimieren.“
In der jüngeren Vergangenheit rückte im Rahmen der Kooperation verstärkt das Thema elektrifizierte Fahrzeuge in den Fokus. Diese halten für Feuerwehren und Ersthelfer besondere Herausforderungen bereit, die bei Rettungsmassnahmen zu berücksichtigen sind.
„Durch die Erfahrungen, die die Renault Group bereits seit mehr als zehn Jahren mit elektrifizierten Fahrzeugen und der chemischen Zusammensetzung ihrer Batterien sammelt, konnten wir gezielt Rettungsmassnahmen entwickeln, die auf diese Art Fahrzeug abgestimmt sind“, sagt Christophe Lenglos.
Die Kooperation zahlt sich für alle Beteiligten aus. Auf Seiten der Renault Group führte sie beispielsweise zu zwei innovativen Lösungen, die die Reaktionszeiten der Rettungskräfte deutlich verkürzen helfen. So erlaubt der „Feuerwehr-Zugang“ in allen elektrifizierten Renault und Dacia Modellen den direkten Zugriff auf eine brennende Hochvolt-Batterie. Dadurch kann Wasser direkt ins Batterieinnere gepumpt werden und ein Feuer dort in nur fünf Minuten statt wie sonst bis zu drei Stunden gelöscht werden.
Die zweite Innovation ist ein QR-Code. Auf die Windschutzscheibe geklebt, können die Rettungskräfte diesen scannen und so die für ihre Massnahmen relevanten technischen Daten abrufen, so wie sie es sonst von den modellspezifischen Rettungsdatenblättern kennen. Der prominent platzierte und somit gut zu erkennende QR-Code ermöglicht den Rettungskräften sofort nach ihrer Ankunft am Unfallort zu erkennen, ob es sich um ein E-Auto, ein Hybrid-Fahrzeug oder ein Plug-in-Hybrid handelt.
Darüber hinaus können sie sich dank des Codes in kürzester Zeit einen Überblick über die Fahrzeugarchitektur verschaffen – insbesondere über die Positionen der Batterie und der Airbags sowie über die idealen Ansatzpunkte für das Aufschneiden der Karosserie. Dank solcher Informationen lässt sich die Zeit für das Bergen einer Person aus dem Fahrzeug um bis zu 15 Minuten verkürzen. Ursprünglich von der Renault Group entwickelt, haben die Rettungsdatenblätter zur Verbesserung der allgemeinen Verkehrssicherheit beigetragen. Unter anderem gehören sie jetzt zum Anforderungskatalog für die Euro NCAP-Bewertung. Die QR-Codes werden ab spätestens 2022 serienmässig auf allen Neufahrzeugen der Renault Group in Europa zu finden sein.
Auch die Schweizer Feuerwehr macht mit: Angesichts der positiven Erfahrungen mit der Kooperation hat sich Renault dazu entschlossen, die Zusammenarbeit mit Feuerwehren und Rettungskräften weiter auszubauen. So haben nicht nur Feuerwehren aus ganz Frankreich ihr Interesse an Trainings bekundet. Auch Feuerwehren aus anderen Ländern (u.a. Finnland, Italien, Kanada, Kolumbien, Kroatien, Portugal, Schweiz und Slowenien) möchten ihre Fähigkeiten in diesem Bereich verbessern und wertvolle Kenntnisse über die neusten Entwicklungen in der Automobilindustrie gewinnen.
Um die Effizienz und Qualität dieser Trainings weiter zu verbessern, setzt die Entwicklungsabteilung der Renault Group vermehrt auch modernste Digitalsimulationen und Virtual-Reality-Tools ein. Die Fahrzeugentwickler wollen damit den Feuerwehren die Möglichkeit bieten, mit VR-Simulationen, die die bei einem Unfall auftretenden strukturellen Deformationen eines Fahrzeugs präzise wiedergeben, bereits an künftigen Modellgenerationen trainieren zu können. Diese Methode ergänzt sich perfekt mit den Übungen an realen Fahrzeugen. Denn auch hier gilt: Jede Sekunde zählt!