19. Mai 2023

Restwertminderung wegen übermässigem Privatgebrauch – wer kommt für die Kosten auf?

Firma XY muss am Ende der Vertragslaufzeit ihrer Leasingflotte feststellen, dass vereinzelte Dienstwagen die mit dem Leasingprovider vereinbarte Kilometerlaufleistung deutlich überschreiten. Dies, obwohl neben den geschäftlichen Fahrten im Leasingvertrag ein grosszügiger Anteil für Privatfahrten einkalkuliert wurde. Die Mehrkilometer sowie die damit einhergehenden zusätzlichen Abnutzungen am Fahrzeug haben empfindliche Nachzahlungen aufgrund der Restwertminderung zur Folge. Darf die Firma XY die Kosten (oder einen Teil davon) bei extremen Ausreissern auf die betreffenden Mitarbeitenden abwälzen?

Restwertminderung wegen übermässigem Privatgebrauch – wer kommt für die Kosten auf?
Restwertminderung wegen übermässigem Privatgebrauch – wer kommt für die Kosten auf?

1. Vertragliche Vereinbarung mit der Leasinggesellschaft

Es ist in Leasingverträgen üblich, dass die Leasinggesellschaft eine (jährliche) Laufleistung für die Flottenfahrzeuge festlegt. Die Laufleistung hat Einfluss auf den Verschliess des Fahrzeugs und damit auf dessen Restwert am Ende der Leasingdauer, welcher ebenfalls vertraglich vereinbart wird. Liegt die Laufleistung über den vereinbarten Kilometern, behält sich die Leasinggesellschaft vor, den Minderwert des Fahrzeugs über eine entsprechenden Nachzahlungspflicht zulasten des Leasingnehmers auszugleichen. Insoweit ist die vertraglich vereinbarte Lösung weder ungewöhnlich noch zu beanstanden. Fraglich ist, ob die Arbeitgeberin und Leasingnehmerin diesen Nachzahlungsbetrag auf ihre Arbeitnehmenden als Verursacher abwälzen kann.

 

2. Geschäftlicher oder privater Gebrauch?

Umfang, Grenzen und allfällige Kostenfolgen des geschäftlichen und des privaten Gebrauchs eines Dienstfahrzeugs wurden an dieser Stelle in früheren Ausgaben schon verschiedentlich erörtert.

 

Sämtliche Kosten, welche im Zusammenhang mit dem geschäftlichen Gebrauch des Fahrzeugs anfallen, sind durch die Arbeitgeberin zu tragen, somit auch die gesamten Leasingkosten (Art. 327a und 327b schweizerisches Obligationenrecht (OR)). Überschreitet das Geschäftsfahrzeug alleine durch den geschäftlichen Einsatz die maximal vereinbarte Kilometerleistung, besteht kein Zweifel, dass die Arbeitgeberin alleine diese Mehrkosten tragen muss. Eine Abwälzung dieser Kosten auf den Arbeitnehmer wäre rechtlich nicht zulässig.

 

Dem Arbeitnehmenden wird regelmässig das vertragliche Recht eingeräumt, den Dienstwagen auch für private Zwecke zu nutzen. Diese Privatnutzung wird entweder entschädigungslos oder gegen eine geringfügige Kostenbeteiligung des Arbeitnehmenden erlaubt (sog. "Fringe Benefits"). Sofern eine Kostenbeteiligung vorgesehen ist, kann diese beim Arbeitnehmenden auch eingefordert bzw. mit seinem Lohnanspruch verrechnet werden.

 

2. Abwälzung von Leasingkosten auf den Arbeitnehmenden

Die Privatnutzung des Dienstwagens stellt keine geschäftliche Verwendung dar. Die Arbeitgeberin muss Kosten, die im Zusammenhang mit der Privatnutzung anfallen nicht entschädigen. Grundsätzlich wäre es damit denkbar, dass die Arbeitgeberin übermässige, durch den privaten Gebrauch entstandenen Leasingkosten auf den Arbeitnehmenden als Verursacher abwälzt. Da die Arbeitgeberin hierfür jedoch beweispflichtig ist, müsste sie die entsprechenden beweisrechtlichen Grundlagen hierfür schaffen und Beweismittel sichern:

 

Zunächst sollte die Arbeitgeberin sich das Recht vorbehalten, sämtliche Kosten der Privatnutzung des Dienstwagens auf den Arbeitnehmenden abzuwälzen, insbesondere die Kosten einer allfälligen Erhöhung der Leasingentschädigung, was im Arbeitsvertrag oder im Nutzungsreglement klar zum Ausdruck kommen müsste. Sodann müsste die Arbeitgeberin klare Vorgaben zur Privatnutzung des Dienstwagens erlassen. Diese müssten so ausgestaltet sein, dass sich der geschäftliche und der private Gebrauch des Dienstwagens klar trennen lassen, indem z.B. Vorgaben zu den maximal zulässigen privaten Kilometerleistungen und zum Führen eines Fahrtenbuchs sowie zur Erfassung der privaten Kilometerleistungen gemacht werden. Sodann müsste die Arbeitgeberin diese Vorgaben auch regelmässig kontrollieren. Dies mag bei wenigen Dienstfahrzeugen noch praktikabel sein, wird jedoch bei einer grösseren Flotte administrativ rasch zu aufwändig und dadurch unpraktikabel.

 

Sofern die Arbeitgeberin nicht klar beweisen kann, welche Kilometer geschäftlich und welche privat zurückgelegt wurden, misslingt ihr der erforderliche Beweis und eine Kostenabwälzung auf den Arbeitnehmenden ist ausgeschlossen. Selbst wenn ihr dieser Bewies gelingen sollte, wäre eine Kostenabwälzung der erhöhten Leasingkosten dennoch fraglich. Der Arbeitnehmende wird diesbezüglich nämlich entgegnen, dass die höheren Leasingkosten nicht aus dem Privatgebrauch sondern aus dem (höheren) geschäftlichen Gebrauch resultieren. Auch diesbezüglich müsste die Arbeitgeberin den Beweis des Gegenteils erbringen, z.B. indem anhand des Leasingvertrags belegt werden kann, dass die maximal zulässigen Privatkilometer überschritten wurden. Dies setzt jedoch voraus, dass dem Arbeitnehmenden bekannt war, dass ein erhöhter Privatgebrauch bzw. eine Überschreitung der jährlichen (privaten) Kilometerleistung zu einer Entschädigung führen kann.

 

Anders dürfte der Fall liegen, wenn sich im Extremfall belegen liesse dass ein Arbeitnehmender das Geschäftsfahrzeug in erheblichem Masse zweckentfremdet privat gebrauchte, z.B. für eine Privatfahrt über mehrere tausend Kilometer nach Spanien oder Norwegen, welche sich anhand von Tankabrechnungen der Geschäftskreditkarte nachweisen lässt. Auch hier wäre aber wohl vorauszusetzen, dass die Arbeitgeberin zumindest ein Limit für die maximale private Kilometerleistung ansetzte oder wenigstens Auslandfahren mit dem Dienstfahrzeug untersagte.

 

4. Einschränkung des Privatgebrauchs

Üblich sind gewisse Beschränkungen des Privatgebrauchs, z.B. hinsichtlich verbotener Auslandfahren, Verbote zur Verleihung oder gar Vermietung des Dienstwagens. Solche Einschränkungen sind ohne weiteres zulässig, steht der Dienstwagen doch im Eigentum der Arbeitgeberin (bzw. ist sie im Rahmen des Leasingvertrags zumindest zur exklusiven Nutzung des Dienstwagens und zur Verfügung über diesen berechtigt) und kann sie damit den Umgang mit diesem frei regeln. Es wäre somit auch zulässig, die maximal zulässige Kilometerleistung für Privatfahren zu limitieren.

 

Das Problem ist jedoch auch hier beweisrechtlicher Natur. Will die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmenden eine Verletzung des Nutzugsrechts nachweisen und ihn über eine Kostenbeteiligung zur Rechenschaft ziehen, muss sie diesem nicht nur bewiesen, dass er das Fahrzeug entgegen der Vorgabe verwendete, sondern auch in welchem Ausmass er die Vorgaben der Arbeitgeberin (maximal zulässige Kilometer) überschritten hat. Dies wäre wiederum nur über die Verwendung und Kontrolle eines Fahrtenbuches oder eines elektronischen Fahrtenschreibers möglich. Wobei im letzteren Fall diverse datenschutzrechtliche Fragen hinzutreten, welche den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden.

 

5. Fazit

Vorgaben der Arbeitgeberin zur maximal zulässigen privaten Kilometerleistung sind zwar möglich, administrativ aber aufwändig umzusetzen. Daraus sich allenfalls ergebende Entschädigungsansprüche gegenüber dem Arbeitnehmenden sind ausserdem rechtlich nur schwer durchsetzbar, da im Regelfall ein rechtsgenüglicher Beweis fehlt.

 

Immerhin ist es der Arbeitgeberin aber möglich, extreme Zweckentfremdungen des Dienstwagens zu unterbinden (Verbot von Auslandfahrten, Verleihung oder Vermietung). Wenngleich Entschädigungen oder Schadenersatz auch in diesem Extremfällen nicht einfach durchzusetzen sind, so bleibt der Arbeitgeberin als Handlungsalternative zur Not wenigstens die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Verletzung der arbeitsvertraglichen Bestimmungen zur Nutzung des Dienstwagens.

 

Die Rubrik Rechtsfragen führt aboutFLEET in Kooperation mit dem Schweizer Mobilitätsverband sffv sowie BÜHLMANN KOENIG & PARTNER, eine auf Wirtschaftsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei mitten in Zürich. Klienten sind vornehmlich Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungs-, Industrie- und Konsumgütersektor. Die Kanzlei ist vorwiegend im Vertrags-, Finanz- und Gesellschaftsrecht tätig und erbringt auch Steuerberatung. BÜHLMANN KOENIG & PARTNER legt grossen Wert auf hochstehende Dienstleistungen zu fairen Preisen. Die Kanzlei ist stark international ausgerichtet und Mitglied von Lexlink, einem internationalen Verbund von kleineren wirtschaftsrechtlich fokussierten Anwaltskanzleien.

 

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