Rechtsfrage: Darf der Arbeitgeber die Privatnutzung der Dienstwagen aufkünden?
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Die Dienstwagen der Firma XY durften von den Mitarbeitenden jahrelang auch privat genutzt werden. Dies wurde auch in den Arbeitsverträgen ausdrücklich festgehalten. Nachdem sich im Jahr 2022 die Schadenfälle während der Privatnutzung häuften, kündete die Geschäftsleitung im September an, dass die Fahrzeuge ab 1. Januar 2023 nur noch geschäftlich genutzt werden dürfen. Ist das Aufkünden des Privatnutzungsrechts der Fahrzeuge zulässig?
Text: Philipp Brunner
1. Gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers ein Geschäftsfahrzeug zu stellen
Gemäss Art. 327 Abs. 1 OR ist die Arbeitgeberin verpflichtet, den Arbeitnehmenden mit den zur Ausführung der Arbeit erforderlichen Geräten und Materialien auszurüsten. Folglich hat die Arbeitgeberin das Fahrzeug für den Aussendiensteinsatz zur Verfügung zu stellen, sofern der Arbeitnehmende dieses zur Arbeitsausführung zwingend benötigt.
Die Arbeitgeberin ist hingegen gesetzlich nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmenden einen Dienstwagen für den täglichen Arbeitsweg oder für anderweitige private Zwecke zur Verfügung zu stellen. Sie muss dem Arbeitnehmenden auch die mit solchen Privatnutzungen verbundenen Kosten nicht ersetzen; der Arbeitsweg wie auch die Privatnutzung sind keine durch die Ausführung der Arbeit notwendigen Auslagen und der Arbeitnehmende setzen den Dienstwagen nicht "für die Arbeit" ein (Art. 327a Abs. 1 OR bzw. Art. 327b Abs. 1 OR).
2. Vertraglicher Nutzungsanspruch des Arbeitnehmenden
Die Nutzungsrechte am Dienstwagen werden jedoch oft vertraglich geregelt und konkretisiert, entweder im Arbeitsvertrag oder in einem separaten Dienstwagen-Nutzungsreglement. Hierbei wird dem Arbeitnehmenden regelmässig das vertragliche Recht eingeräumt, den Dienstwagen auch für private Zwecke zu nutzen. Diese Privatnutzung wird entweder entschädigungslos oder gegen eine geringfügige Kostenbeteiligung des Arbeitnehmenden erlaubt (sog. "Fringe Benefits").
In der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmendem vertraglich vereinbarte Privatnutzung des Dienstwagens (d.h. die Nutzung für private Zwecke in der Freizeit, nicht für geschäftliche Zwecke) als Lohnbestandteil zu qualifizieren ist. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem sogenannten Naturallohn. Die Privatnutzung des Dienstwagens stellt mit anderen Worten einen Teil der finanziellen Vergütung des Arbeitnehmenden dar. Steuerrechtlich wird diese Privatnutzung dem Arbeitnehmenden deshalb als Lohn aufgerechnet.
Diese Privatnutzung kann dem Arbeitnehmenden von der Arbeitgeberin nicht ohne weiteres entzogen werden. Ein sofortiger, entschädigungsloser, einseitiger Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens käme einer (Natural‑)Lohnkürzung gleich. Dies ist rechtlich nicht zulässig und würde dem Arbeitnehmenden eine klagbare Forderung auf Entschädigung des Naturallohns geben.
3. Vertragsänderung erforderlich
Wenn ein vertraglicher Nutzungsanspruch des Arbeitnehmenden am Dienstwagen vereinbart wurde, kann dieses Nutzungsrecht nur mittels einer Vertragsanpassung abgeändert oder entzogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Entzug der Privatnutzung über eine Anpassung des Nutzungsreglements einheitlich für die gesamte Fahrzeugflotte erfolgen soll.
Diese Vertragsanpassung kann einvernehmlich mit dem Arbeitnehmenden vereinbart werden, was jederzeit und auf einen beliebigen Zeitpunkt hin möglich ist, das Einverständnis des Arbeitnehmenden vorausgesetzt. Eine einvernehmliche Vertragsanpassung ist in Einzelfällen durchaus praktikabel.
Soll die Privatnutzung jedoch bei einer Vielzahl von Arbeitnehmenden einheitlich erfolgen, wären bilaterale Lösungen nicht praktikabel. Deshalb kann die Arbeitgeberin die Vertragsanpassung auch mittels einer einseitigen Vertragsänderung durchsetzen. Dieses Vorgehen ist auch erforderlich, wenn sich mit dem Arbeitnehmenden keine einvernehmliche Lösung finden lässt. Hierbei hat die Arbeitgeberin jedoch die Grundsätze der Änderungskündigung zu beachten: Eine Einschränkung oder der gänzliche Entzug der Privatnutzung ist arbeitsrechtlich nur unter Einhaltung der gesetzlichen bzw. der längeren vertraglichen Kündigungsfrist zulässig. Dabei wird das Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt, verbunden mit einer neuen Vertragsofferte mit angepassten Konditionen (neu ohne die Privatnutzung des Dienstwagens). Akzeptiert der Arbeitnehmende die neuen Vertragsbedingungen, kommt nach Ablauf der Kündigungsfrist ein neuer Arbeitsvertrag zustande und gelten ab diesem Zeitpunkt die neuen Konditionen. Lehnt der Arbeitnehmende dagegen die neue Vertragsofferte ab, endet sein Arbeitsvertrag mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. In beiden Fällen kann er den Dienstwagen während der laufenden Kündigungsfrist im bisherigen Umfang weiterhin auch für private Zwecke nutzen.
Gerade bei grösserem Mitarbeiterbestand oder bei der Anpassung von Nutzungsreglementen ist den unterschiedlich langen Kündigungsfristen der betroffenen Mitarbeitenden Beachtung zu schenken. Auch allfällige Kündigungssperrfristen (Militär, Schwangerschaft, Krankheit etc.) können einer Änderungskündigung entgegenstehen und deren Verletzung kann unerwünschte rechtliche Folgen haben. In solchen Fällen ist deshalb eine juristische Begleitung und eine langfristige Planung zu empfehlen.
4. Fazit
Ist dem Arbeitnehmenden die Privatnutzung des Geschäftswagens erlaubt, ist diese Privatnutzung im Regelfall ein Lohnbestandteil. Die Arbeitgeberin kann dieses private Nutzungsrecht nur durch Anpassung des Arbeitsvertrags einschränken oder entziehen. Können sich die Parteien nicht einvernehmlich einigen, muss die Arbeitgeberin die Nutzungsänderung mittels einer Änderungskündigung und unter Beachtung der massgebenden Kündigungsfristen einseitig durchsetzen.
Ob im vorliegenden Fall die Ankündigung des Entzugs der Privatnutzung per 1. Januar 2023 im September rechtzeitig erfolgte, müsste anhand der Kündigungsfristen der betroffenen Arbeitnehmenden geprüft werden. Geht man von einer dreimonatigen Kündigungsfrist aus (per 31. Dezember 2022), könnte die Änderungskündigung – unter Vorbehalt der Einhaltung der übrigen formellen Voraussetzungen einer Änderungskündigung – gerade noch rechtzeitig erfolgt sein. Im Regelfall ist jedoch zu empfehlen, solche grundlegenden Vertragsanpassungen mit einem etwas grosszügigeren Zeithorizont (6-12 Monate) zu planen und umzusetzen.
Die Rubrik Rechtsfragen führt aboutFLEET in Kooperation mit dem Schweizer Mobilitätsverband sffv sowie BÜHLMANN KOENIG & PARTNER, eine auf Wirtschaftsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei mitten in Zürich. Klienten sind vornehmlich Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungs-, Industrie- und Konsumgütersektor. Die Kanzlei ist vorwiegend im Vertrags-, Finanz- und Gesellschaftsrecht tätig und erbringt auch Steuerberatung. BÜHLMANN KOENIG & PARTNER legt grossen Wert auf hochstehende Dienstleistungen zu fairen Preisen. Die Kanzlei ist stark international ausgerichtet und Mitglied von Lexlink, einem internationalen Verbund von kleineren wirtschaftsrechtlich fokussierten Anwaltskanzleien.
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