14. Juli 2022

Was passiert mit dem Dienstwagen bei einer Freistellung?

Firma XY sah sich gezwungen, einem Mitarbeitenden zu kündigen. Das Unternehmen entschied sich, die Person bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freizustellen. Darf der Arbeitnehmer, dessen Dienstwagen ihm auch zur Privatbenützung zur Verfügung stand, das Auto bis zum Ablauf der Kündigungsfrist behalten, oder muss dieses aufgrund der Freistellung per sofort retourniert werden? Zudem kündigte der betroffene Mitarbeitende an, das Fahrzeug bei sich zu Hause übergeben zu wollen, anstatt am Firmensitz (was für das Unternehmen einen beträchtlichen Logistikaufwand zur Folge hätte). Ist dies zulässig?

Was passiert mit dem Dienstwagen bei einer Freistellung?
Was passiert mit dem Dienstwagen bei einer Freistellung?

Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer Freistellung und der Weiternutzung von Geschäftsfahrzeugen stellen sich in der Praxis regelmässig. Da die Freistellung gesetzlich nicht geregelt ist, bietet die Thematik einige Unsicherheiten und Konfliktpotenzial.

 

Einleitung

Die Freistellung des Arbeitnehmers und deren Konditionen können auf einer einseitigen Weisung der Arbeitgeberin beruhen. Die Konditionen können aber auch zwischen den Parteien in Form einer Freistellungsvereinbarung ausgehandelt werden. Kennzeichnendes Merkmal der Freistellung ist, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer freiwillig von der Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung während der Freistellungsdauer dispensiert. Der Arbeitsvertrag mit sämtlichen übrigen Rechten und Pflichten der Parteien bleibt jedoch unverändert bestehen, namentlich die Lohnzahlungspflicht der Arbeitgeberin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Zu diesen fortbestehenden Rechten des Arbeitnehmers gehört unter Umständen auch die Weiternutzung des Dienstwagens zum bisherigen privaten Gebrauch.

 

Entzug des Dienstwagens und Anspruch auf Naturallohn

Es ist allgemein anerkannt, dass eine durch die Arbeitgeberin erlaubte private Nutzung des Dienstwagens (d.h. die Nutzung für private Zwecke in der Freizeit, nicht für geschäftliche Zwecke) als Lohnbestandteil zu qualifizieren ist (sog. Naturallohn). Im Zuge der Freistellung ist die Arbeitgeberin weiterhin verpflichtet, dem Arbeitnehmer den vollen Lohn (inkl. des Naturallohns) zu entrichten. Entzieht die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer das vertragliche Nutzungsrecht am Dienstwagen, schuldet sie ihm während der Freistellungsdauer Ersatz für den entfallenden Naturallohn. Der Arbeitnehmer ist finanziell gleich zu stellen, wie wenn er den Dienstwagen während der Freistellungsdauer weiterhin zu privaten Zwecken nutzen könnte. Ein ersatzloser Entzug des Dienstwagens käme demgegenüber einer sofortigen einseitigen (Natural-)Lohnkürzung gleich, was arbeitsrechtlich nicht zulässig ist. Die Arbeitgeberin kann folglich entscheiden, den Dienstwagen weiterhin zur Privatnutzung zur Verfügung zu stellen oder dem Arbeitnehmer angemessenen Ersatz für den Nutzungsentzug zu leisten. Wie hoch dieser Naturallohn bzw. dessen Ersatz zu bemessen ist, hängt von den konkreten Umständen ab.

 

Ist dem Arbeitnehmer die Privatnutzung des Dienstwagens vertraglich zugesichert (in Form einer ausdrücklichen Vertragsklausel oder eines Nutzungsreglements für Flottenfahrzeuge, welches Vertragsbestandteil geworden ist) ("Fringe Benefit"), kann ihm der Dienstwagen deshalb nicht einfach so entschädigungslos entzogen werden. Dasselbe gilt meines Erachtens, wenn die Privatnutzung zwar nicht ausdrücklich vertraglich geregelt ist, jedoch eine lange Praxis besteht, indem z.B. der Dienstwagen während Jahren mit Wissen der Arbeitgeberin privat genutzt wird und die Arbeitgeberin die damit verbundenen Kosten widerspruchslos übernimmt. In diesem Fall haben die Parteien zumindest eine konkludente vertragliche Nutzungsregelung getroffen und einen Naturallohnanspruch begründet, insbesondere, wenn der Privatanteil auch im Lohnausweis ausgewiesen wird. Da eine ausdrückliche vertragliche Regelung fehlt, bestehen im letzten Fall jedoch für beide Parteien gewisse rechtliche Unsicherheiten.

Eine sofortige Rückgabe des Dienstwagens gegen den Willen des Arbeitnehmers ist rechtlich zwar durchsetzbar. Die Arbeitgeberin wird in diesem Fall aber ersatzpflichtig und hat dem Arbeitnehmer zumindest den entgangenen Naturallohn zu entschädigen. Um langwierige rechtliche Streitigkeiten zu vermeiden, ist eine vertragliche Regelung sinnvoll, wobei der Arbeitnehmer seine Zustimmung für die vorzeitige Rückgabe jedoch regelmässig von einer Entschädigung für den entfallenden Naturallohn abhängig machen wird.

 

Hat sich die Arbeitgeberin dagegen vertraglich zusichern lassen, dass im Falle einer Freistellung der Anspruch auf Privatnutzung (und damit der Naturallohnanspruch) entschädigungslos entfällt, so hat der Arbeitnehmer den Dienstwagen umgehend und ohne Entschädigung zu retournieren. Dasselbe gilt, falls der Arbeitnehmer überhaupt keinen vertraglichen Anspruch auf Privatnutzung des Dienstwagens haben sollte (und damit auch keinen Anspruch auf Fortzahlung des Naturallohns), was aber in der vorliegenden Konstellation unwahrscheinlich ist.

 

Modalitäten der Rückgabe

Am Ende des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer alles herauszugeben, was er von der Arbeitgeberin und auf deren Rechnung erhalten hat, insbesondere Fahrzeuge, Fahrzeugausweise und Zugehör zum Fahrzeug (Art. 339a OR). Das Gesetz äussert sich jedoch nicht ausdrücklich hinsichtlich des Orts, an welchem der Arbeitnehmer das Fahrzeug zu retournieren hat. Soweit ersichtlich mussten sich bisher auch die Schweizer Gerichte nicht mit dieser Frage auseinandersetzen.

 

Der Rückgabeort des Dienstwagens bestimmt sich nach den allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts (Art. 74 OR). Massgeblich ist in erster Linie der vertraglich bestimmte Rückgabeort. Fehlt eine vertragliche Regelung, kommen je nach Umständen verschiedene Rückgabeorte in Betracht:  

 

Die Rückgabepflicht ist grundsätzlich eine arbeitsvertragliche Nebenleistungspflicht des Arbeitnehmers. Nebenpflichten sind im Normalfall am Erfüllungsort der Hauptpflicht zu erfüllen. Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeitstätigkeit am Geschäftssitz der Arbeitgeberin oder an einem gewöhnlichen Arbeitsort, ist der Dienstwagen dort zu retournieren. Dies namentlich dann, wenn ihm der Dienstwagen auch dort übergeben wurde. Ein Aussendienstmitarbeiter, welcher seine Arbeit jeweils von seinem Wohnort aus bei verschiedenen Kunden verrichtet, hat dagegen keinen einheitlichen Arbeitsort. Hier dürfte vielmehr der Wohnort des Arbeitnehmers als Erfüllungs- und Rückgabeort des Dienstwagens qualifizieren.

 

Denkbar ist weiter, dass der Übergabeort des Dienstwagens auch den Rückgabeort bestimmt. Eine bestimmte Sache wie der Dienstwagen ist grundsätzlich dort zu retournieren, wo sie sich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befand (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR). Dies kann je nach den konkreten Umständen der Sitz der Arbeitgeberin, der gewöhnliche Arbeitsort des Arbeitnehmers oder auch das Autohaus sein, bei welchem der Arbeitnehmer den Dienstwagen abgeholt hat. Wurde der Dienstwagen an den Wohnort des Arbeitnehmers geliefert und dort übergeben, kann der Arbeitnehmer auf einer Rückgabe an seinem Wohnort bestehen.

 

Die gesetzliche Regelung erscheint in diesem Fall willkürlich und schafft wenig Rechtssicherheit. Die Arbeitgeberin müsste jeweils im Einzelfall abklären, wo der Arbeitnehmer seinen Dienstwagen zurückzugeben hat, was bei einer grösseren Flotte erheblichen Aufwand verursachen würde. Um Rechtssicherheit zu schaffen, ist zu empfehlen, den Rückgabeort im Arbeitsvertrag oder in einem Nutzungsreglement vertraglich festzulegen. Fehlt eine solche Regelung, sollte der Rückgabeort in einer Freistellungsvereinbarung ausdrücklich geregelt werden, was einen gegenüber dem Arbeitnehmer vertraglich durchsetzbaren Anspruch schafft.

 

Abschliessende Bemerkungen

Im Zusammenhang mit der Freistellung von Arbeitnehmer empfiehlt es sich, in Bezug auf den Dienstwagen klare vertragliche Verhältnisse zu schaffen, dies am besteh bereits im Arbeitsvertrag oder in einem Nutzungsreglement.

 

Falls keine vorbestehende vertragliche Regelung existiert, ist den Parteien der Abschluss einer Freistellungsvereinbarung zu empfehlen, in welcher die gegenseitigen Rechte und Pflichten während der Freistellungsdauer vertraglich geregelt werden. In Bezug auf die Weiternutzung des Dienstwagens umfasst dies zum Beispiel: Nutzungsdauer, maximale Kilometerleistung, Haftung im Schadenfall, Wegfall von Spesenvergütungen (Benzingeld, Unterhaltskosten, Steuern, Versicherung etc.), Auslandfahrten sowie Rückgabemodalitäten. Falls der Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch auf Weiternutzung des Dienstwagens hat, können auch der sofortige Entzug der Privatnutzung und die dafür geschuldete Vergütung der Arbeitgeberin (Naturallohnersatz) in einer Freistellungsvereinbarung entsprechend geregelt werden.

 

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