20. Mai 2022

Schaden am Privatauto während der Dienstfahrt – wer blecht?

Bei der Firma XY werden die nur vereinzelt anfallenden Dienstfahrten von den Mitarbeitenden mit ihren Privatautos durchgeführt, da das Unternehmen keine eigene Flotte besitzt. Die Fahrten werden mit einer Kilometerpauschale vergütet. Kürzlich touchierte ein Arbeitnehmender bei einer dienstlichen Fahrt aufgrund einer Unachtsamkeit einen Poller. Das Privatfahrzeug älteren Baujahrs verfügt lediglich über eine Haftpflichtversicherung. Muss der Arbeitnehmende den gesamten Schaden alleine tragen oder muss sich auch die Arbeitgeberin an den Reparaturkosten beteiligen?

Schaden am Privatauto während der Dienstfahrt – wer blecht?
Schaden am Privatauto während der Dienstfahrt – wer blecht?

Text: Philipp Brunner, Rechtsanwalt | LL.M. Partner 

 

Die Antwort auf diese Frage erscheint vermeintlich einfach: Für das private Fahrzeug haftet der Arbeitnehmende als Fahrzeughalter und Lenker selber. Dem ist rechtlich jedoch nicht in jedem Fall so.

 

Mass des Verschuldens massgebend

Nach Obligationenrecht hat die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmenden alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstehenden Auslagen zu ersetzen (Art. 327a OR). Dies umfasst die üblichen Aufwendungen für den Betrieb des Fahrzeugs (Treibstoff, Parkgebühren etc.). Wird im Einverständnis mit der Arbeitgeberin ein Privatauto eingesetzt, sind dem Arbeitnehmenden zudem anteilmässig nach Massgabe des geschäftlichen Gebrauchs Versicherungsprämien, öffentlichen Abgaben, Wartungskosten, Reparaturen, Ersatzteile, Wertverlust sowie eine angemessene Entschädigung für die Abnützung des Fahrzeugs zu vergüten (Art. 327b OR). Die Betriebskosten und das Betriebsrisiko eines zu geschäftszwecken eingesetzten Privatfahrzeugs fallen während der Arbeitsverrichtung in die Risikosphäre der Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin hat das Unfallrisiko bei Verwendung eines Privatfahrzeugs zur Arbeitszwecken im selben Masse zu tragen, wie wenn der Arbeitnehmende ein Geschäftsfahrzeug benutzt hätte. Grundsätzlich muss die Arbeitgeberin damit die Reparaturkosten vollständig übernehmen.

 

Für Schäden, welcher der Arbeitnehmende der Arbeitgeberin im Rahmen seiner Arbeitsleistung zufügt, haftet er nach Massgabe seines Verschuldens (Art. 321e OR). Dies kann wiederum zu einer Kürzung seines Schadenersatzanspruchs bzw. der Reparaturkostenentschädigung führen: Je grösser das Verschulden des Arbeitnehmenden im Einzelfall ist, desto umfangreicher ist seine Haftung gegenüber der Arbeitgeberin und desto mehr muss er vom Schadensbetrag selber tragen. Für absichtliches oder grobfahrlässiges Verhalten muss der Arbeitnehmende den verursachten Schaden am Privatfahrzeug vollumfänglich selber übernehmen. Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist die Haftung zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmenden graduell aufgeteilt und muss die Arbeitgeberin damit bloss einen Teil des Schadens ersetzen. Bei leichter Fahrlässigkeit entfällt die Haftung des Arbeitnehmende im Normalfall und er hat Anspruch auf vollen Kostenersatz für den entstandenen Schaden.

 

Welches Mass an Verschulden dem Arbeitnehmenden im vorliegenden Fall zur Last gelegt werden muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (Art und Übersichtlichkeit des Fahrzeugs, Verkehrssituation, Aufprallgeschwindigkeit etc.). Im Normalfall dürfte ein kleiner Parkschaden wohl als leichte Fahrlässigkeit zu werten sein und hätte die Arbeitgeberin vollen Kostenersatz für die Reparatur zu leisten.

 

Vergütung des Unfallschadensrisikos

Falls das Unfallschadensrisiko durch einen periodischen Fixbetrag oder durch eine Erhöhung der üblichen Kilometerpauschale (welche im Normallfall nur die Betriebskosten deckt) von der Arbeitgeberin bereits im Voraus abgegolten wird, ist kein zusätzlicher Schadenersatz für den Parkschaden geschuldet. In diesem Fall hat der Arbeitnehmende die Unfallschadenskosten am Privatfahrzeug selber zu tragen.

 

Was aber gilt, wenn der Fixbetrag oder der Zusatzbetrag auf der Kilometerpauschale den entstandenen Schaden umfangmässig nicht zu decken vermag, z.B. weil die Pauschale tief angesetzt ist oder weil mit dem Privatfahrzeug jährlich nur eine geringe Kilometerleistung gefahren wird? In diesem Fall ist die Arbeitgeberin trotz Pauschalvergütung verpflichtet, den Fehlbetrag bis zur vollständigen Schadensdeckung zu vergüten.

 

Dafür, dass die Pauschalentschädigung auch die Schadensdeckung beinhaltet, ist die Arbeitgeberin sodann beweispflichtig. Deshalb ist zu empfehlen, einen Fixbetrag bzw. die Erhöhung der Kilometerpauschale zur Amortisation des Unfallschadensrisikos explizit zu regeln. Im Zweifelsfall gilt die Schadensdeckung mit der normalen Kilometerpauschale nicht als abgegolten und wäre damit der Arbeitnehmende für den erlittenen Schaden zusätzlich zu entschädigen. Bei einer unklaren oder fehlenden Regelung riskiert die Arbeitgeberin damit eine Doppelzahlung.

 

Empfehlung: Dienstfahrtenkasko-Versicherung

Besteht eine private Kaskoversicherung, beschränkt sich die Entschädigungspflicht der Arbeitgeberin auf den Selbstbehalt und den Verlust der Bonusstufe (ein Wertverlust des Fahrzeugs tritt bei einem Parkschaden dagegen kaum ein). Da im vorliegenden Fall jedoch  nur eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen wurde, muss die Arbeitgeberin bei leichtem Verschulden des Arbeitnehmenden den vollen oder zumindest den grössten Teil des Schadens übernehmen. Selbst wenn die vereinbarte Kilometerpauschale eine Zusatzvergütung für die Unfalldeckung enthalten sollte, sprechen der sporadische Einsatz des Privatfahrzeugs und damit verbunden der wohl geringe Umfang einer Kilometerpauschale nicht dafür, dass der Schaden mit einer Pauschalvergütung voll gedeckt werden kann.

 

Bei regelmässiger Verwendung des Privatfahrzeugs ist dem Arbeitgeber deshalb der Abschluss eine Dienstfahrtenkasko-Versicherung zu empfehlen. Hierbei wird das Privatfahrzeug durch die Arbeitgeberin im Umfang einer Voll- oder Teilkaskodeckung versichert. Die Versicherungsdeckung umfasst lediglich Dienstfahren im Auftrag der Arbeitgeberin, nicht jedoch die private Verwendung des Fahrzeugs. Das Haftungsrisiko der Arbeitgeberin beschränkt sich im Einzelfall auf den Selbstbehalt und den Verlust der Bonusstufe, während der eigentliche Schaden durch die Kaskoversicherung gedeckt wird. Je nach Umfang des Verschuldens des Arbeitnehmenden, hat er der Arbeitgeberin einen Teil des Selbstbehalts und des Bonusverlusts wiederum zu entschädigen.

 

 

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