18. Mai 2021

Rechtsfrage: Besteht nach einem Unternehmensumzug weiterhin ein Anrecht auf Parkplätze?

Das Unternehmen XY strebt einen Standortwechsel an. Für den Umzug sprechen betriebliche Gründe (urbane Lage, Kundenbedürfnisse, Verkehrsanbindung). Der Umzug hat jedoch auch Nachteile, insbesondere eine markante Reduktion der verfügbaren Firmenparkplätze. Für den Flottenmanager stellt sich die Frage, ob die Reduktion der Firmenparkplätze ohne Weiteres möglich ist und ob die Mitarbeitenden, die ihre Fahrzeuge in Zukunft auf gebührenpflichtigen Parkfeldern abstellen müssen, hierfür zu entschädigen sind.

Rechtsfrage: Besteht nach einem Unternehmensumzug weiterhin ein Anrecht auf Parkplätze?
Rechtsfrage: Besteht nach einem Unternehmensumzug weiterhin ein Anrecht auf Parkplätze?

Text: Philipp Brunner, Rechtsanwalt | LL.M. Partner 

 

Zunächst ist zu prüfen, ob dem betroffenen Mitarbeitenden ein vertraglicher Anspruch auf Nutzung eines Parkplatzes eingeräumt wurde. Anschliessend, und unabhängig vom allfälligen vertraglichen Anspruch, wird erläutert, unter welchen Umständen der Mitarbeitende für die anfallenden Parkgebühren zu entschädigen ist.

 

Vertraglicher Anspruch
Vertragsbestandteil ist alles, was auf dem «gemeinsamen übereinstimmenden Willen» beider Vertragsparteien beruht. Der Parteiwille zur Nutzung eines Parkplatzes kann sich ausdrücklich aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Er kann sich aber auch aus einer anderen, den Arbeitsvertrag ergänzenden Regelung ergeben (Personalreglement, Parkplatzordnung, GAV), welche bei Vertragsschluss oder zu einem späteren Zeitpunkt Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden ist.

 

Der Wille kann sich aber auch aus einer stillschweigenden Übereinkunft zwischen den Parteien ergeben, z.B. wenn der Mitarbeitende mit Erlaubnis des Arbeitgebers über längere Zeit hinweg einen solchen Parkplatz nutzen konnte, sei dies gratis oder gegen eine Gebühr. Ob in diesem Fall ein übereinstimmender Parteiwille vorliegt und damit ein vertraglicher Anspruch begründet wurde, muss im Einzelfall geprüft werden.

 

Falls der Arbeitgeber eine Gebühr für den Parkplatz erhebt und dem Mitarbeitenden auf dem Firmengelände ein nummeriertes Parkfeld zuweist, spricht dies eher für eine vertragliche Vereinbarung zur Nutzung des Parkplatzes. Demgegenüber spricht die Nutzung von gebührenfreien Parkfeldern auf Zusehen hin, z.B. mit dem Vermerk «so lange genügend Parkplätze vorhanden» oder «bis auf Widerruf» eher dafür, dass die Parkplatznutzung im Ermessen des Arbeitgebers liegt und er dem Arbeitnehmenden keinen vertraglicher Nutzungsanspruch einräumen wollte. Diesfalls können Parkplatzrechte ohne Weiteres eingeschränkt oder entzogen werden.

 

Vertragsanpassung
Besteht ein übereinstimmender Parteiwille und damit ein vertragliches Nutzungsrecht am Parkplatz, kann dieses Recht beim Standortwechsel nicht ohne weiteres einseitig geändert, eingeschränkt oder entzogen werden.

 

Eine Vertragsanpassung bedarf zu ihrer Gültigkeit immer der Zustimmung beider Vertragsparteien und ist im Arbeitsrecht bei ausbleibender einvernehmlicher Einigung nur im Rahmen einer sogenannten «Änderungskündigung» zulässig. Dabei kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis für den Fall, dass der Arbeitnehmende die neuen Vertragsbedingungen – sprich die neue Parkplatzregelung – nicht akzeptiert. Eine Änderungskündigung ist nur unter Einhaltung der Kündigungsfrist und -modalitäten zulässig. Während der Kündigungsfrist sind beide Parteien weiterhin an die geltende vertragliche Parkplatzregelung gebunden. Die Änderungskündigung kann unter Umständen missbräuchlich sein und der Arbeitnehmende hat in diesem Fall Anspruch auf eine Entschädigung (Art. 336 und 336a OR). Dies ist der Fall, wenn die einseitige Vertragsänderung unangemessen oder für den Arbeitnehmenden wesentlich unvorteilhafter ist oder wenn damit eine unbillige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden soll, für die weder marktbedingte noch betriebliche Gründe bestehen. Das Risiko einer missbräuchlichen Änderungskündigung sollte im Einzelfall abgeklärt werden.

 

Besteht für den Parkplatz ein (schriftlicher oder mündlicher) Mietvertrag, sind überdies die mietrechtlichen Kündigungsbestimmungen zu beachten.

 

Der Arbeitgeber ist damit gut beraten, die arbeitsvertraglichen Regelungen im Zuge des Standortwechsels miteinzuplanen und den Arbeitnehmenden die Änderungskündigung rechtzeitig anzuzeigen. Sinnvoll ist auch, wenn die Betroffenen der Vertragsänderung schriftlich zustimmen und damit die neue Parkplatzregelung oder das neue Reglement als Vertragsbestandteil ausdrücklich akzeptieren. Lehnt ein Arbeitnehmender die neue Regelung ab, endet sein Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist.

 

Vergütung von Parkplatzkosten
Der Gesetzgeber legt fest, dass der Arbeitgeber alle Auslagen zu ersetzen hat, welche im Zusammenhang mit der Ausführung der Arbeit notwendigerweise entstehen (Art. 327a OR).

 

Für gewöhnlich nicht als notwendig gelten Auslagen für die Fahrt vom Wohnort zum Arbeitsplatz, unabhängig davon, ob die Kosten durch Nutzung eines Autos, des öffentlichen Verkehrs oder anderer Transportmittel entstehen. Ebenso wenig muss der Arbeitgeber am Arbeitsort einen Parkplatz zur Verfügung stellen oder die Parkplatzkosten vergüten, ausser es besteht diesbezüglich eine vertragliche Regelung, wie oben bereits ausgeführt.

 

Verwendet dagegen der Arbeitnehmende ein Fahrzeug zum Zwecke der Ausübung seiner Arbeit (z.B. Kundenbesuche im Aussendienst, Fahrt zum Einsatzort, Transport von Gütern etc.) und mit dem Einverständnis oder gar auf Anordnung des Arbeitgebers, sind dem Arbeitnehmenden die üblichen Aufwendungen für Betrieb und Unterhalt zu entschädigen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein Firmenfahrzeug oder um ein privates Fahrzeug handelt (Art. 327c OR). Die Entschädigungspflicht umfass dabei auch die Parkierungskosten, sowohl bei Kunden als auch auf dem Firmengelände oder in dessen unmittelbarer Nähe (Parkhaus oder gebührenpflichtige Parkplätze), sofern der Arbeitnehmende auf die Parkierung am Firmenstandort angewiesen ist. Denkbar ist dies z.B., wenn Arbeitnehmende jeweils halbtags im Aussendienst oder in unregelmässigen Abständen auf Baustellen oder bei Kunden vor Ort Arbeitseinsätze leisten und die restliche Zeit im Büro arbeiten.

Aus Kostensicht ist ratsam, das beschränkte Parkplatzangebot am neuen Firmenstandort solchen Mitarbeitern vorzubehalten, welche auf Anordnung des Arbeitgebers und zur Erfüllung ihrer Arbeitstätigkeit auf ein Fahrzeug angewiesen sind. Stehen hierfür nicht genügend Firmenparkplätze zur Verfügung, müssen dem Arbeitnehmenden allfällige externe Parkierungskosten vollumfänglich entschädigt werden.

 

Effektive oder pauschale Vergütung
Ob der Arbeitnehmende die effektiv entstandenen Kosten abrechnet oder ob ihm die Kosten in Form einer Pauschale (Zuschlag zum Stunden- oder Monatslohn, Kilometerpauschale) vergütet werden, spielt im Grundsatz keine Rolle.

 

Spesenpauschalen müssen jedoch mindestens die effektiv entstandenen Kosten decken, da die Überwälzung notwendiger Auslagen auf den Arbeitnehmenden verboten ist. Ist die Pauschale nicht kostendeckend, so ist die Abrede nichtig und sind nachträglich die effektiven Auslagen zu ersetzen. Ausserdem dürfen Schwankungen der effektiven Auslagen nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmende Auslagen über längere Zeiträume kreditieren muss (z.B. hohe effektive Auslagen im Sommer-, tiefe im Winterhalbjahr bei gleichbleibender Monatspauschale).

 

Fallen die Pauschalvergütungen andererseits wesentlich höher aus als die tatsächlich entstandenen Auslagen, ist ein Teil der Pauschale als Lohnbestandteil zu qualifizieren und sind darauf die entsprechenden Sozialbeiträge zu entrichten.

 

Bei der Festlegung der Pauschalvergütung ist deshalb darauf zu achten, dass diese mindestens kostendeckend ist und nicht offensichtlich zu hoch gewählt wird. Regelmässige Überprüfung und Anpassung anhand der tatsächlichen Kosten ist ratsam.

 

Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Neuregelung der Parkplatznutzung aus arbeitsrechtlicher Sicht rechtzeitig geprüft und unter Berücksichtigung der Vorgaben zur Änderungskündigung umgesetzt werden muss. Arbeitnehmenden, welche zur Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit und auf Anordnung des Arbeitgebers ein Fahrzeug einsetzen, sind die im Zusammenhang mit der Arbeitsausübung entstandenen Betriebskosten – wozu auch die Parkierungskosten gehören – zu entschädigen. Dies kann über eine effektive Kostenvergütung erfolgen oder mittels einer kostendeckenden Spesenpauschale.

 

 

Die Rubrik Rechtsfragen führt aboutFLEET in Kooperation mit dem Schweizer Mobilitätsverband sffv sowie BÜHLMANN KOENIG & PARTNER, eine auf Wirtschaftsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei mitten in Zürich. Klienten sind vornehmlich Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungs-, Industrie- und Konsumgütersektor. Die Kanzlei ist vorwiegend im Vertrags-, Finanz- und Gesellschaftsrecht tätig und erbringt auch Steuerberatung. BÜHLMANN KOENIG & PARTNER legt grossen Wert auf hochstehende Dienstleistungen zu fairen Preisen. Die Kanzlei ist stark international ausgerichtet und Mitglied von Lexlink, einem internationalen Verbund von kleineren wirtschaftsrechtlich fokussierten Anwaltskanzleien.

 

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