Spinnen die Briten? Facility Management Riese «Mitie» will mit 100 Firmenladestationen 7000 E-Fahrzeuge betreiben
Posted by: Unknown author
Das britische Facility Management- und Dienstleistungsunternehmen Mitie will bis 2025 mit über 7000 vollelektrischen Fahrzeugen einer der grössten E-Flotten Betreiber Europas werden. Bereits heute beinhaltet der Fuhrpark über 1000 reine Elektrofahrzeuge, bis Ende dieses Jahres sollen es symbolische 2021 EVs werden – obwohl das Unternehmen lediglich über 100 Ladestationen verfügt.
Vauxhall, das britischen Pendant von Opel, stattet Mitie dieses Jahr mit 655 vollelektrischen Vivaro-e aus.
Text: Rafael Künzle
Mitie mit Sitz in London wurde 1987 gegründet und ist mit 77'500 Mitarbeitenden eines der führenden Unternehmen für Facility Management in Grossbritannien und Irland. Zum Fuhrpark zählen über 7000 Fahrzeuge, deren Verbrennungsmotoren für rund 90 % der Kohlenstoffemissionen des Unternehmens verantwortlich sind. Deshalb soll der Fuhrpark bis 2025 komplett auf Elektroantrieb umgestellt werden sollen. Bereits heute beinhaltet dieser über 1000 reine Elektrofahrzeuge, bis Ende dieses Jahres sollen es symbolische 2021 EVs sein. Das ehrgeizige Vorhaben bedeutet, dass Mitie in den nächsten fünf Jahren jeden Monat 125 Fahrzeuge von Verbrennungsmotoren auf Batteriebetrieb umstellen muss, um seine Ziele zu erreichen.
«Bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor liegt der Fokus auf der Auswahl der richtigen Fahrzeuge und auf dem Verhalten und der Sicherheit der Fahrer. Dabei haben wir die Infrastruktur dank der vorhandenen Tankstellen als selbstverständlich vorausgesetzt», sagt Simon King, Direktor für Nachhaltigkeit bei Mitie in einem Interview mit Fleet Europe. Die Auswahl Fahrzeuge sei bei E-Fahrzeugen ebenfalls wichtig, der primäre Fokus müsse aber auf dem Laden und der dazugehörigen Infrastruktur liegen. Die Einrichtung der optimalen Infrastruktur zu Hause und am Arbeitsplatz sowie der Zugang zur richtigen öffentlichen Ladeinfrastruktur seien von entscheidender Bedeutung.
Der Fuhrpark von Mitie, der sowohl PW als auch Nutzfahrzeuge beinhaltet, wird grösstenteils von den Mitarbeitenden zu Hause geladen, weshalb die Installation von Ladestationen an den Wohnorten der Mitarbeitenden von zentraler Bedeutung für die Null-Emissionsziele des Unternehmens ist. «Die erste Frage, die ich stelle, ist «Wo schlafen die Fahrzeuge?». Denn genau dort brauchen sie eine EV-Infrastruktur. Wenn jedes Fahrzeug den Tag voll aufgeladen beginnt, kann es in den meisten Fällen eine ganze Tagesschicht fahren, ohne aufgeladen werden zu müssen. Aber wenn man keine Ladeinfrastruktur hat, in der die Fahrzeuge über Nacht stehen, dann fällt die ganze Lösung auseinander», sagt King.
Während Statistiken zeigen, dass 65 % der Briten einen Parkplatz abseits der Strasse haben, wo eine Ladestation für den Hausgebrauch installiert werden kann, fällt dieser Prozentsatz bei den Nutzfahrzeugfahrern von Mitie auf 55 % (es gibt eine klare Korrelation zwischen dem Gehalt der Angestellten und dem Parkplatz abseits der Strasse zu Hause). Infolgedessen hat Mitie seine frühen Elektrifizierungsbemühungen auf Mitarbeitende konzentriert, die eine Ladestation zu Hause installieren können, und sucht nach lokalen Ladelösungen auf der Strasse für andere Mitarbeiter. Diese seien weitaus praktischer und bequemer, so King, als die Knotenpunkte mit Schnellladegeräten, die den Löwenanteil der Investitionen in Ladestationen ausmachen.
Mitie musste sich auch mit der Frage auseinandersetzen, wie den Fahrern der Transporter der Stromverbrauch erstattet werden kann, wenn die Fahrzeuge zu Hause an der Steckdose angeschlossen sind. Die offiziellen staatlichen Kilometerrückerstattungssätze decken die Kosten für Elektroautos ab, reichen aber nicht aus, um die Kosten für den Stromverbrauch von LCVs zu decken. Die Fahrer riskieren also, auf den Stromkosten sitzen zu bleiben. Und selbst wenn der Erstattungsprozess funktioniert, wirkt sich das auf den Cashflow aus, was für geringer bezahlte Mitarbeitende eine echte Herausforderung darstellt", so King. Es müsse also eine Lösung her, bei der das Unternehmen direkt für den Strom bezahlt, der von den Mitarbeitern zu Hause verbraucht wird. Zudem rät King beim Thema Ladeinfrastruktur in Mietwohnungen, die Vermieter frühzeitig zu involvieren. «Es erstaunt mich immer wieder, wie lange es dauert, die Zustimmung des Vermieters zu Dingen zu bekommen, die ihre Gebäude aufwerten», erläutert King.
Mitie will bis Ende des Jahres 1600 Ladepunkte an Wohnhäusern installiert haben, was 85 % der Ladevorgänge ausmacht, hat aber nur 100 Ladestationen am Arbeitsplatz installiert, was ein Spiegelbild dessen ist, wo die EV-Flotte nächtigt. Ladevorgänge am Arbeitsplatz machen nur 10 % der Gesamtladevorgänge bei Mitie aus. King rät anderen Fuhrparks, die mit der Einführung von E-Fahrzeugen beginnen, den Nutzen von Ladestationen auf Büro-Parkplätzen zu prüfen. Sind die Fahrzeuge lange genug geparkt, um bei langsamer Geschwindigkeit zu laden, brauchen die Batterien wirklich eine Aufladung oder schliessen die Fahrer sie aus Gewohnheit an, und gibt es am Standort genügend Kapazität, um den Strom zu liefern? Die Stromerzeugung vor Ort durch Solarpaneele und Speicher vor Ort könnte sich als billiger erweisen als Kapazitätserweiterungen.
Öffentliche Schnellladestationen machen nur 5 % der Ladevorgänge von Mitie aus, eine Notaufladung, die nach eigenen Angaben nur selten benötigt wird. Eigene Untersuchungen des Unternehmens, die auf einer Telematikanalyse seiner Transporter basieren, ergaben, dass 75 % der Fahrtage kürzer als 160 km sind, 88 % weniger als 229 km - etwa 70 % der WLTP-Reichweite - und nur 4 % mehr als 328 km, der durchschnittlichen WLTP-Reichweite der Fahrzeuge.
Mitie ist immer noch auf der Suche nach einer Zahlungslösung für Fahrer, die öffentliche Ladestationen nutzen müssen. Im Moment müssen sich die meisten Fahrer bei mehreren Ladenetzwerken anmelden, mit einer Kreditkarte bezahlen und dann die Kosten über ihre Spesen zurückfordern. «Wir brauchen einen einheitlichen Zahlungsmechanismus für alle Betreiber von Ladestationen, mit einer einzigen Rechnung, die jeden Monat direkt an die Organisation für die Flotte geht. Davon sind wir noch weit entfernt, aber mir wurde von mehreren Anbietern versichert, dass dies in den nächsten fünf oder sechs Monaten der Fall sein wird», so King.
Insgesamt zieht Mitie aber ein positives Fazit: Die Erfahrung aus dem Betrieb von mehr als 1000 reinen E-Fahrzeugen zeigt, dass die Gesamtbetriebskosten tiefer sind als diejenigen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.