Studie zu Plug-in-Hybriden: Bis zu vier Mal mehr CO2-Ausstoss
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Plug-in-Hybride fahren einer Studie des Frauenhofer-Institut ISI zufolge nur selten elektrisch. Ihr Öko-Versprechen können sie dadurch nicht einhalten.
Viele Fahrerinnen und Fahrer von Plug-in-Fahrzeugen nutzen den elektrischen Antrieb nur selten.
Plug-in-Hybride sind in der deutschen Zulassungsstatistik aktuell erfolgreicher als reine Elektroautos – auch in der Schweiz sind die Steckerfahrzeuge beliebt. Für das Klima ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht, wie nun das Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung (ISI) und das International Council on Clean Transportation (ICCT) in einer europaweiten Studie ermittelt haben. Denn in der Realität verbrauchen sie deutlich mehr Sprit als auf dem Papier.
Für die gemeinsame Studie untersuchten das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI sowie die gemeinnützige Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) umfangreiches Datenmaterial zur realen Nutzung von über 100’000 Plug-in-Hybridfahrzeugen in Europa, Nordamerika sowie China. Für ihre statistischen Analysen nutzten die Forscherinnen und Forscher unter anderem anonymisierte Daten, die Fahrzeughalter freiwillig an Online-Portale wie Spritmonitor.de oder im Rahmen früherer Befragungen übermittelt hatten. Einbezogen wurden auch Auswertungen zu Firmenfahrzeugen, die Flottenkunden zur Verfügung stellten.
Dr. Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfeld Energiewirtschaft am Fraunhofer ISI und Hauptautor der Studie, fasst eines der Kernergebnisse zusammen: «Im Mittel fallen die realen Treibstoffverbräuche und CO2-Emissionen von Plug-in-Hybridfahrzeugen bei privaten Haltern in Deutschland mehr als doppelt so hoch aus wie im offiziellem Testzyklus, während die Werte bei Dienstwagen sogar viermal so hoch sind.» Damit ist die Abweichung zwischen offiziellen Angaben und realen Erfahrungswerten bei Plug-in-Hybridfahrzeugen sehr viel grösser als bei Fahrzeugen mit konventionellem Verbrennungsmotor.
Grund hierfür ist die Tatsache, dass Plug-in-Hybridfahrzeuge oft nicht regelmässig nachgeladen werden. Private Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland laden ihr Plug-in-Hybridfahrzeug statistisch gesehen lediglich an drei von vier Tagen. Bei Dienstwagen wird im Mittel sogar nur ungefähr an jedem zweiten Fahrtag geladen. Die geringe Ladehäufigkeit reduziert den elektrischen Fahranteil und erhöht damit den Treibstoffverbrauch und die CO2-Emissionen von Plug-in-Hybridfahrzeugen im Alltagsbetrieb. In Deutschland erbringen rein privat genutzte Plug-in-Hybridfahrzeuge im Durchschnitt etwa 43% ihrer Fahrleistung im elektrischen Modus, bei Dienstwagen sind es lediglich 18%. Zahlen aus der Schweiz liegen keine vor, man kann aber durchaus Parallelen ziehen.
Die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer ISI und des ICCT leiten aus ihren Studienergebnissen konkrete Handlungsempfehlungen ab. ICCT-Direktor Dr. Peter Mock empfiehlt der Bundesregierung unter anderem, «bei der Förderung von Plug-in-Hybridfahrzeugen die Modelle zu bevorzugen, die über eine hohe elektrische Reichweite und gleichzeitig eine geringe verbrennungsmotorische Leistung verfügen».
Auch die Fahrzeughersteller sollten proaktiv agieren: Wenn sie die elektrische Reichweite ihrer Plug-in-Hybridmodelle von heute durchschnittlich 50 Kilometer auf etwa 90 Kilometer erhöhen und die verbrennungsmotorische Leistung abregeln, können sie die Nutzerinnen und Nutzer zu einem verstärkt elektrischen Betrieb ihrer Fahrzeuge motivieren.
Weiterhin sollten Flottenmanager von Firmenfahrzeugen das verfügbare Budget für Benzin- beziehungsweise Diesel-Treibstoff für Tankkarten limitieren und den Angestellten stattdessen ein einfaches und kostengünstiges Nachladen von Plug-in-Hybridfahrzeugen ermöglichen. Damit liesse sich der Nutzungsgrad des elektrischen Antriebs bei Plug-in Hybridfahrzeugen optimieren. Zu genau dieser Frage berief die Bundesregierung jüngst eine Arbeitsgruppe ein, die eine mögliche Optimierung von Plug-in-Hybridfahrzeugen im Rahmen des im Juni beschlossenen Corona-Konjunkturpakets diskutieren soll.
Plug-in-Hybride mussten sich zuletzt zunehmende Kritik gefallen lassen. Unter anderem hat kürzlich auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die zu hohen Realverbräuche kritisiert. Für die Autohersteller sind die Teilzeit-Stromer aber ein wichtiges Werkzeug zum Erreichen ihrer CO2-Grenzwerte und somit zur Vermeidung empfindlicher Strafzahlungen. Um die Öko-Bilanz ihrer Modelle zu verbessern, werden aktuell die elektrischen Reichweiten stark erhöht – nicht nur, weil das dem Realverbrauch hilft, sondern auch weil das Vorteile beim Normverbrauch bietet, auf dessen Basis eventuelle Strafzahlungen berechnet werden. Parallel dazu versuchen die Hersteller, ihre Kunden zu mehr Ladedisziplin zu erziehen – etwa mit Hilfe von Bonusprogrammen für regelmässige Strom-Nutzer. (pd/ir)