Gastkommentar Prof. Willi Diez: «Der Weltuntergang findet nicht statt»
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«Einer der Vorteile, wenn man schon etwas älter ist, dass man schon so viele Weltuntergänge er- und überlebt hat, dass man jedem neuen angekündigten Weltuntergang mit einer gewissen Gelassenheit begegnet.»
Professor Dr. Willi Diez ist deutscher Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Automobilwirtschaft, sowie Geschäftsführer der IFA Forum & Management GmbH in Geislingen.
Kommentar von Prof. Dr. Willi Diez, erschienen in A&W Österreich
Wer heute über sechzig Jahre alt ist, erinnert sich noch an die beiden Ölkrisen in den 1970er Jahren, an das Waldsterben Anfang der 1980er Jahre, an die ungezählten Börsencrashs, die jedes Mal die Welt an den Rande des Untergangs gebracht haben und natürlich auch an die Finanzkrise im Jahr 2009. Was wurde da nicht schwarz gemalt. Und die Kläffer am Strassenrand, genannt ‘Automobilexperten’, haben auch nicht gefehlt und alles noch ein bisschen schlimmer geredet als es tatsächlich war. Aber die Kläffer haben immer noch gekläfft, da ist die Karawane schon weitergezogen.
Jetzt also Corona. Es fehlt nicht an guten Ratschlägen wie man die Krise überstehen kann: Geld zusammen halten, Liquidität sichern, staatliche Hilfsgelder beantragen, Mitarbeiter und Kunden schützen, einen Notdienst aufrechterhalten und so weiter. Das alles ist richtig und notwendig.
Vor allem aber: Wohl dem, der das Werkstattgeschäft immer gepflegt hat. Der steht jetzt nicht völlig blank da, weil im Verkauf aktuell natürlich nicht viel läuft. Repariert werden muss immer und mancher wird auch daran denken, jetzt notwendige Wartungsarbeiten durchführen zu lassen. Das sollte zumindest eine gewisse Grundauslastung in der Werkstatt sichern.
Auch der digitale Zubehör- und Ersatzteilshop bietet in diesen Zeiten die Chance auf zusätzliche Umsätze. Wer Zeit hat führt vielleicht die eine oder andere Pflegearbeit an seinem Fahrzeug selber durch und denkt an das eine oder andere Zubehör, das er sich schon lange kaufen wollte. Der Online-Handel ist zwar kein Rettungsanker, aber möglicherweise ein gewisses Trostpflaster in einer schwierigen Zeit.
Gleichzeitig gilt es aber, sich darauf vorzubereiten, dass die Krise irgendwann einmal vorbei sein wird. Wer jetzt zu tief untertaucht, der bekommt, wenn die Dinge wieder normal laufen, den Kopf möglicherweise nicht mehr über Wasser. Die Käufe von morgen werden heute vorbereitet. Und so viel ist sicher: das Geschäft wird wieder anspringen, schneller und stärker als es sich jetzt vielleicht mancher Berufspessimist vorstellen kann und will.
Bei der Finanzkrise haben einige Fachleute gesagt, es würde Jahre, ja vielleicht sogar Jahrzehnte dauern bis der Automobilmarkt wieder richtig ans Laufen käme. Was ist passiert? Schon nach einem Jahr waren bei den meisten Autohäusern die Neu- und Gebrauchtwagenverkäufe wieder auf Vorkrisen-Niveau. Das ist auch ganz logisch, denn heute werden Kaufentscheidungen aufgeschoben, die dann wenn sich die Situation wieder entspannt hat realisiert werden.
Daher gilt es zuerst und vor allem den Kontakt mit den Kunden aufrechtzuerhalten und zu pflegen. Die Rahmenbedingungen dafür sind hervorragend, denn selten haben so viele Menschen so viel Zeit gehabt wie heute. Und wer sich in normalen Zeit über Werbe-Mails geärgert hat, freut sich jetzt, wenn er eine neue Nachricht in seinem Account hat.
Also gilt es zu kommunizieren – natürlich digital, aber lebendig und spannend. Selten hat es in der Branche so interessante Themen gegeben wie heute, Themen, die die Menschen beschäftigen: Elektro oder Wasserstoff, Diesel oder Benziner zum Beispiel – darüber kann man sich jetzt mit den Kunden austauschen und Kaufentscheidungen vorbereiten. Und vielleicht hat der eine oder andere Interessent Lust über Skype mit einem Kundenberater zu sprechen. Krisen sind immer auch Chancen.
Schliesslich bietet der Zwangsstopp auch die Möglichkeit, intern aufzuräumen. Damit ist nicht nur gemeint, Strukturen und Prozesse zu überprüfen, sondern auch ganz konkret schon länger geplante Projekte anzugehen. Das kann das Datenmanagement, die IT-Infrastruktur oder auch die digitalen Kommunikationskanäle betreffen. Gerade Arbeiten, die bei normalen Geschäftsbetrieb eher hinderlich sind, können jetzt durchgeführt werden.
Immer gilt es dabei den Blick nach vorne zu richten: Wo können wir noch besser werden, um dann, wenn der Markt wieder da ist, noch erfolgreicher zu sein? Statt die Krise zu verwalten, gilt es das Geschäft von morgen zu gestalten.
Ein Spötter meinte kürzlich, die Corona-Krise habe auch etwas Gutes: Jetzt würde man nicht mehr jeden Tag in den Medien mit Berichten und Kommentaren zum Klimawandel zugedeckt. Das ist in der Tat so und zeigt, wie fremdbestimmt wir in unserem Denken und Handeln geworden sind. Das eine Ereignis überlagert das andere und wir lassen uns von der einen in die andere Ecke drängen. Da der Weltuntergang aber auch dieses Mal nicht stattfindet, sei denen, die schon Entzugserscheinungen haben, versichert: Wenn das Corona-Virus besiegt ist, werden wir auch Greta Thunberg wieder öfter im Fernsehen sehen.