23. Mai 2018

Empa-Experte: «Ein Diesel-Fahrverbot in Schweizer Städten ist unwahrscheinlich»

Hat der Diesel als Treibstoff für Personenwagen überhaupt noch eine Zukunft? Tatsache ist: Jahrzehntelang wurden Diesel-PW von staatlicher Seite massiv gefördert – und dann war über Nacht plötzlich alles anders. Nun drohen Millionen von Diesel-Besitzern Fahrverbote und finanzieller Schaden durch Wertverlust. Auch Schweizer Dieselkäufer sind betroffen.

Empa-Experte: «Ein Diesel-Fahrverbot in Schweizer Städten ist unwahrscheinlich»

An der «A&W Mobilitätstagung» am 13. Juni 2018 in der Umweltarena in Spreitenbach beschäftigen sich Experten, wie Christian Bach mit brandheissen Fragen rund um die Dieselthematik und Antriebslösungen der Zukunft.

Empa-Experte: «Ein Diesel-Fahrverbot in Schweizer Städten ist unwahrscheinlich»

von Theo Uhlir

 

Interview mit Christian Bach, Fahrzeugantriebs-Experte bei der Empa* und Referent an der A&W-Mobilitätstagung am 13. Juni 2018 in der Umweltarena in Spreitenbach.

 

AUTO&Wirtschaft: Die wirtschaftlichen Folgen des Diesel-Schocks sind erheblich: Millionen von Autos haben nach dem Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts Anfang dieses Jahres über Nacht massiv an Wert verloren. Unzählige Käufer von Dieselfahrzeugen fühlen sich betrogen. Wer ist schuld? Der Staat, weil er die Diesel-Emissionsprobleme jahrelang ignorierte oder die Fahrzeughersteller, die bei der Software schummelten?

Christian Bach: Wer schuld ist, weiss ich nicht. Bis heute hat es noch kein entsprechendes Urteil gegeben. Dass die Stickoxid-Emissionen der Dieselfahrzeuge auf der Strasse schlechter sind als im Labor, war schon lange bekannt. Erstaunt hat uns allerdings, dass der Grund dafür nicht technische Limitierungen waren, sondern, dass die Hersteller das bewusst machten.

 

Weshalb wurde von Seiten des Gesetzgebers nichts unternommen?

Man hat nicht nichts gemacht; seit 2010 hat man eine umfassende, neue Abgasgesetzgebung entwickelt. Rückwirkend betrachtet, hat man wohl aber der bestehenden Gesetzgebung für Euro 5- und Euro 6b-Fahrzeuge zu wenig Beachtung geschenkt. Deshalb wirkt die Entrüstung der EU-Kommission auch etwas fadenscheinig.

 

Weshalb bezogen sich die Abgasvorschriften trotzdem weiterhin jahrelang lediglich auf synthetische Fahrzyklen?

Mit der Einführung von Euro 5, also ca. im Jahr 2009, erkannte man, dass das bisherige Abgasmessverfahren so veraltet ist, dass eine grundsätzliche Erneuerung notwendig wurde. Das Fahrprofil, die Schaltpunkte, die Bestimmung des Fahrwiderstands, die Bestimmung der Fahrzeugmasse und viele andere Details stammten aus den 70er und 90er-Jahren. Deshalb wurden 2010 verschiedene internationale Arbeitsgruppen zur Erarbeitung neuer Abgasvorschriften gebildet. Diese entwickelten seither das neue, weltweit einheitliche Abgas- und CO2-Messverfahren WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure), das allerdings erst im Herbst 2017 in Kraft gesetzt wurde.

 

Und sieben Jahre lang wurde bei den Stickoxiden einfach weggeschaut?

Rückblickend kann man schon sagen: Man hätte in diesen sieben Jahren besser noch eine Zwischenlösung in der alten Abgasgesetzgebung realisiert und nicht einfach nur auf die neuen Vorschriften gewartet.

 

Trifft hier nicht auch die Hersteller eine Schuld? Sie hatten es sich über all die Jahre bequem gemacht in der alten Norm...

Moralisch waren die gewählten technischen Lösungen sicher nicht korrekt. Das Problem ist: Wenn eine Gesetzgebung löchrig ist, dann wird das ausgenützt.

 

Was können wir daraus lernen?

Dass eine Technologie nicht nur sauber aussehen, sondern sauber SEIN muss! Alle Dieselfahrzeuge, die heute herumfahren, haben saubere Zertifizierungen. Hier wurde niemand bestochen, alle erforderlichen Prüfungen wurden durchgeführt, alles sieht sauber aus. Doch wenn man in der Realität mit ihnen herumfährt, stossen sie bis zu einem Zehnfachen an Stickoxiden aus.

 

Besteht nicht die Gefahr, dass eines Tages auch den heute vorbehaltslos geförderten Hybrid- und Elektroauto-Fahrern ein ähnlich böses Erwachen droht? Zum Bsp., wenn in vier oder fünf Jahren die Gesetzgeber merken, dass die zum Aufladen der Batterien mehrheitlich verwendete Energie alles andere als umweltfreundlich ist, oder, dass die Entsorgung der Batterien viel mehr kostet als bislang angenommen?

Diese Problematik wird unter Experten immer wieder thematisiert. Denn auch beim CO2-Ausstoss wird oftmals zu wenig beachtet, was wirklich in der Realität geschieht. Allerdings gibt es in dieser Richtung deutlich mehr warnende Stimmen. Eben erst hat die Europäische Umweltagentur der EU-Kommission vorgeschlagen, künftig die gesamte Emissionskette zu berücksichtigen – nach dem Wiege-zur-Bahre-Prinzip. Doch bereits formiert sich Widerstand.

 

Eine ganzheitliche Erfassung des CO2-Ausstosses tönt doch vernünftig. Weshalb sollte da jemand dagegen sein?

Das Problem ist, dass mit einer solchen Bewertung keine einfachen Lösungen mehr vorliegen. Mit den heutigen CO2-Vorschriften müssen die Hersteller einfach Elektroautos auf den Markt bringen – und gut ist. Das klingt vordergründig zwar einleuchtend, ob damit aber in der Realität CO2 eingespart wird, ist eben alles andere als klar.

 

Nochmals zurück zur aktuellen Diesel-Problematik. Hat man die Sache nun hier auch auf Seiten des Gesetzgebers im Griff?

Ich würde sagen ja. Das neue Abgasmessverfahren ist deutlich besser als das alte. Es umfasst unter anderem auch eine 90-minütige Messung auf der Strasse. Und die Hersteller müssen ihre Antriebssteuerungssysteme offenlegen. Versteckte Funktionen sind künftig also klar illegal und können sanktioniert werden.

 

Drohen dennoch älteren Diesel-Modellen auch in der Schweiz Fahrverbote?

Nein, ich glaube nicht, dass es in der Schweiz zu einem Diesel-Fahrverbot in den Städten kommen wird. Denn bei uns werden – im Gegensatz zu Deutschland – auch in den Städten die Grenzwerte bei den Stickoxiden meistens eingehalten; lediglich an einzelnen, sehr verkehrsreichen Strassen gibt es noch Grenzwertüberschreitungen. Ein solches Verbot wäre deshalb wohl nur schwer durchsetzbar.

 

*Empa: Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt. Als Teil des ETH-Bereichs ist sie dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) zugeordnet.

 

Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme Empa, ist Referent an der traditionsreichen «A&W Mobilitätstagung» 2018 am 13. Juni 2018 in der Umweltarena Spreitenbach. Bach wird sich an der Tagung mit der Zukunft des Dieselantriebs beschäftigen – denn die Fragen rund um den Selbstzünder sind brandheiss. Es gilt sich für die Zukunft zu wappnen, wie auch immer. Die Migrol AG und der A&W Verlag laden Sie genau aus diesen Gründen am 13. Juni 2018 zur traditionsreichen «A&W Mobilitätstagung» ein. Hochkarätige Referenten befassen sich während des halbtägigen Events mit der Frage, ob der Diesel überhaupt noch eine Zukunft hat, und welchen Antriebstechnologien in welchem Mass eine Zukunftschance einzuräumen ist.

 

An dieser Tagung werden genau jene Themen aufgegriffen, die zukunfts- und matchentscheidend sind, darüber entscheiden, wie wir uns in die Zukunft bewegen müssen und wie wir uns in Zukunft überhaupt noch bewegen können. Hochkarätige Fachleute bringen ihr Wissen ein und stellen sich einer Podiumsdiskussion. Moderiert wird der halbtägige Anlass in der Umwelt Arena in Spreitenbach von Tamara Sedmak.

 

Folgende Referenten konnten für diesen Anlass gewonnen werden:

Zum Thema: Diesel, wie weiter?

Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme Empa

 

Zum Thema: Treibstoffe der Zukunft: Visionen, Illusionen, Realitäten

Fabian Bilger, Leiter HSSE, Erdöl-Vereinigung

 

Zum Thema: Reifentechnologie der Zukunft

Denise Ewald, Director Research & Development EMEA PLT Tires Division, Continental

 

Lassen Sie sich diese Chance nicht entgehen, um sich zu entscheidenden Themen auf den neuesten Stand zu bringen und damit Ihre Entscheidungsgrundlagen massgeblich zu verbessern. Unter dem nachfolgenden Link erfahren Sie mehr und können sich direkt anmelden:

 

https://aboutfleet.ch/auto2018/

 

Das ganze Interview mit Christian Bach können Sie hier downloaden!

Bilderdownload:

SUCHEN

PROBEHEFT
BESTELLUNG

Telefon 043 499 18 60
Telefax 043 499 18 61
info@awverlag.ch

Diese Website verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Durch die weitere Nutzung der Website stimmen Sie dem zu. Um mehr über die von uns verwendeten Cookies zu erfahren, können Sie unsere RICHTLINIEN FÜR DATENSCHUTZ UND VERWENDUNG VON COOKIES aufrufen.

OK