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24.05.2023

sffv Quick Info: Zu Besuch beim Vehicle-to-Grid-Feldversuch der Mobility

Die Quick info Reihe des sffv führte am 23.05 rund 20 Mitglieder nach Rotkreuz zur Mobility, wo ihnen das Thema Vehicle-to-Grid nähergebracht wurde. Denn Mobility führt mit «V2X Suisse» momentan einen einzigartigen Feldversuch durch, der sich dem bidirektionalen Laden widmet.

Text / Bilder: Rafael Künzle

 

Für Patrick Bünzli, Präsident des sffv war der Besuch bei Mobility quasi ein Heimspiel, arbeitete er doch einst für den führenden Carsharing Anbieter. Der Gastgeber des neusten Quick info Events wurde aber aus einem anderen Grund gewählt: Mobility führt seit September 2022 einen Feldversuch im Bereich Vehicle-to-Grid durch. Die grundlegende Idee bei Vehicle-to-Grid, respektive dem bidirektionalen Laden, besteht darin, dass Elektroautos nicht nur Strom verbrauchen, sondern auch Strom ins Netz zurückspeisen können, wenn sie nicht gefahren werden, was bei Privatautos in der Schweiz im Durchschnitt am Tag bis zu 23 Stunden der Fall ist. Die sogenannten «Stehzeuge» werden also zu mobilen Powerbanks, die sich zu einem grossen Energiespeicher zusammenschliessen lassen, ähnlich einem Stausee. So können Haushalte quasi den Strom in Spitzenzeiten von den Elektroautos abzapfen, während diese sich über Nacht zu einem günstigeren Tarif wieder komplett aufladen. Ein Auto mit 11 Kilowatt Leistung liefert in einer Stunde mehr Strom als ein Schweizer Haushalt am Tag durchschnittlich verbraucht.

 

V2X Suisse will für Lösungen sorgen

«Bis spätestens 2030 werden all unsere rund 3'000 Fahrzeuge elektrisch sein. Die zunehmende E-Mobilität ist zwar ein positiver Trend, verstärkt aber ebenso den Energiebedarf und wird Herausforderungen in der Netzstabilität mit sich führen. Schon in den nächsten Jahren könnten Blackouts absehbar sein, insbesondere in den Wintermonaten. Das Projekt «V2X Suisse» will mit vereinten Kräften für Lösungen sorgen», sagte CEO Roland Lötscher, zu Beginn der Veranstaltung.

 

Was hinter V2X Suisse steckt, erläuterten sogleich Reto Meier, Projektleiter Corporate Development und Marco Piffaretti, Projektleiter V2X Suisse: Seit September 2022 sind für ein Jahr 50 Honda e an 40 Mobility-Standorten in der ganzen Schweiz im V2X-Einsatz. Das heisst, dass sie abhängig von der nächsten Buchung überschüssige Energie ins Netz speisen. Dieser Feldversuch ist einzigartig, da es bislang gab es noch keinen vergleichbaren Test mit 50 Fahrzeugen gab – andere Projekte setzen auf eine deutlich geringere Anzahl. Auch die flächenmässige Verteilung von 40 Standorten auf das ganze Land ist ein Novum – bislang wurden die Tests auf nur einen Standort oder eine Stadt beschränkt. Des Weiteren setzt das Versuchsmodell auf Serienprodukte (Ladestation und Fahrzeug). Die diesbezüglich führenden Autohersteller stammen übrigens aus Japan. Seit dem Reaktorunglück in Fukushima und der daraus resultierenden Stromknappheit werden Autos «made in Japan» serienmässig mit der Fähigkeit zum bidirektionalen Laden ausgestattet. Abgenommen wird der eingespeiste Strom beim Testversuch von drei verschiedenen Abnehmern. Auch dies ist neu, denn bislang wurde immer nur mit einem Abnehmer getestet.

 

Kollaboration mit mehreren Playern

Für V2X Suisse spannt Mobility mit Autoherstellern (Honda), Software-Entwicklern (sun2wheel AG), Ladestationen-Entwicklern (EVTEC), Flexibilitätsabnehmern (tiko), Wissenschaftlern (Novatlantis und ETH) sowie dem Bund (Bundesamt für Energie) zusammen. «Gemeinsam werden wir bidirektional ladende Autos raschestmöglich auf die Strasse bringen. So können wir dringend benötigte Erfahrungen sammeln», erklärt Marco Piffaretti, Denn: Noch gibt es kein Praxiswissen, was die technischen, regulatorischen und organisatorischen Herausforderungen von bidirektionalem Laden betrifft.

 

Durchgeführt wird der Test von den Kunden im Alltag. Was diese aber gar nicht merken, wie Reto Meier versichert. Die Energie wird lediglich während 15 Minuten zurück ins Netz gespiesen, sodass Kunden immer genug Saft für ihre Carsharing-Fahrten haben. Somit fliesst bei V2X Suisse vergleichsweise wenig Strom zurück ins Netz, die langfristige Perspektive sieht jedoch vielversprechend aus: Steht ein bidirektionales Mobility-Elektroauto still, kann es bis zu 20 Kilowatt Regelleistung zurück ins Stromnetz speisen. Das würde auf die gesamte Mobility-Flotte gerechnet 60 Megawatt ergeben – eine grössere Leistung, als sie beispielsweise das Tessiner Pumpspeicherkraftwerk Peccia bereitstellen kann. Regelleistung, die hilft, Engpässe im Übertragungs- und Verteilnetz zu minimieren und teure Netzausbauten im Verteilnetz zu verhindern, zu verringern oder zu verzögern. Marco Piffaretti ist sich deshalb sicher: «Die Elektromobilität der Zukunft ist geteilt, bidirektional und netzdienlich.»

 

Ehrgeizige Ziele

V2X Suisse setzt sich bis zum Projektabschluss Ende 2023 eine hohe Messlatte: Erstens will man das betriebswirtschaftliche Potenzial von bidirektionalen Fahrzeugen in der Schweiz beweisen. Zweitens soll ausgelotet werden, wie oft sich dank dieser Technologie Lastspitzen im Stromnetz brechen lassen und wie Standorte mit Solaranlagen ihren Eigenverbrauch optimieren können. Und drittens soll der Wettbewerb zwischen den potenziellen Flexibilitätsabnehmern getestet werden.

 

www.sffv.ch

 

www.mobility.ch

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