Steffen Baumann von Mercedes-Benz Vans im Exklusivinterview: «Unsere Vans sind das Pendant zum Schweizer Taschenmesser»
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Steffen Baumann übernahm am 1. November 2022 das Steuer der Sparte Mercedes-Benz Vans in der Schweiz. aboutFLEET traf den Managing Director der Nutzfahrzeugsparte mit dem Stern zum Exklusivinterview.
Interview: Rafael Künzle
aboutFLEET: Herr Baumann, wie verlief Ihr Start?
Steffen Baumann: Der Start verlief hervorragend. Ich habe ein tolles Team vorgefunden, das mich mit offenen Armen empfangen und mich gut eingearbeitet hat. Ich bin ja schon lange bei Mercedes-Benz, war aber bislang noch nie für die Van-Sparte tätig. Entsprechend hatte ich in diesem Bereich zu Beginn einige Fragen und Van-spezifische Wissenslücken. Dank der Hilfe unseres Teams konnte ich diese Lücken aber schnell schliessen. Auch privat verlief der Wechsel reibungslos, da ich die Schweiz aus früheren beruflichen Stationen bereits gut kenne und schätze.
Was reizt Sie an der Sparte Vans, welche sich von den Personenwagen doch ziemlich unterscheidet?
Die Sparte Vans ist im Vergleich zur Sparte Personenwagen zwar kleiner, aber auch agiler und verfügt entsprechend über kürzere Entscheidungswege, was ich sehr schätze. Das Van-Business ist auch spezifischer. Wir haben einen hohen Anteil kommerzieller Kunden, die ihre Vans nicht aus emotionalen Gründen fahren, sondern weil es gute und langlebige Produkte sind, die zuverlässig funktionieren und für die Kunden massgeschneidert werden können.
Welche Ziele haben Sie sich beruflich gesetzt?
Kurzfristig lautet mein Ziel, die Erfolgsgeschichte der Mercedes-Benz-Vans in der Schweiz fortzuschreiben. Mein Vorgänger Michael Pflüger leistete hervorragende Arbeit und wir sind auch betreffend Produkte vorzüglich aufgestellt. Ich möchte die gute Marktposition beibehalten und wenn möglich noch weiter ausbauen. Zudem möchte ich die Profitabilität der Händler und die Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden weiter hochhalten. Ich denke, dies sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren.
Mittelfristig stehen zwei strategische Themen im Fokus: Zum einen werden wir die Transition in Richtung E-Mobilität weiterführen, und zum anderen möchten wir in den nächsten Jahren das Agentensystem in der Schweiz einführen. Diesbezüglich hat Mercedes-Benz Vans den Anfang in den Pilotmärkten Schweden und Österreich bereits gemacht.
Könnten Sie das Agentenmodell etwas genauer erläutern?
Der wesentliche Unterschied zum jetzigen Modell ist, dass beim Agentenmodell der Agent respektive der Händler zu einheitlichen Konditionen und Preisen des Importeurs verkauft und der Kunde damit in der ganzen Schweiz denselben Preis bezahlt. Die Fahrzeuge gehören dem Importeur, entsprechend begleicht der Kunde die Rechnung direkt beim Importeur. Der Händler muss keine eigenen Lager unterhalten. Damit geht einher, dass die Händler weniger Risiko zu tragen haben, da sie keine Angst haben müssen, auf den Fahrzeugen sitzen zu bleiben. Die mögliche Verunsicherung und Unruhe bei der Einführung wollen wir in der Schweiz durch frühzeitige Einbindung der Händler in die Transition vermeiden.
Wie fielen denn die ersten Reaktionen der Händler aus?
Wir haben bereits 2017 mit dem Pilotprojekt in Schweden begonnen und das Modell nun auch in Österreich ausgerollt. Zu Beginn waren die Händler skeptisch, aber inzwischen sind viele Händler überzeugt, dass sie mit dem Agentenmodell besser fahren, da dieses weniger Risiken für sie birgt und sie sich trotzdem durch einen guten Service auszeichnen und profitabel sein können.
Sie arbeiten seit über 30 Jahren für Mercedes-Benz. Weshalb sind Sie dem Stern so lange treu?
Ich bin in Stuttgart in einer Mercedes-Benz-Familie gross geworden. Mein Vater arbeitete über 40 Jahre für den Stern, da saugt man die Gene der Marke fast automatisch auf. Fakt ist aber auch, dass ich über all die Jahre sehr interessante Aufgaben übernehmen durfte und dabei viel in der Welt rumgekommen bin. Entsprechend bin ich nie auf die Idee gekommen, die Firma zu wechseln.
Nach einem Abstecher nach Stuttgart (als Head of Network Development für die Region Europa) kehren Sie in die Schweiz zurück, wo Sie zuvor während eines halben Jahrzehnts als Head of Sales Operations den Verkauf und das Produktmanagement verantworteten. Sie kennen die Schweiz somit bestens. Was unterscheidet Ihrer Ansicht nach den hiesigen Markt von anderen Ländern?
Es reizt mich, wenn es spannend und herausfordernd ist. Die Schweiz ist zwar ein kleines Land, birgt mit ihren vielen Regionen und Sprachen aber auch einige Herausforderungen, die richtigen Lösungen und Ansätze mit den verschiedenen Händlern in den verschiedenen Regionen zu finden. Die Schweiz ist ein sehr innovatives Land mit florierender Wirtschaft. Wir arbeiten hier mit äusserst kompetenten Partnern, die auf Augenhöhe agieren. Ich bin der Überzeugung, dass wir gemeinsam mit unseren Händlern für die komplexen Schweizer Ansprüche sehr gute Lösungen anbieten.
In einem schrumpfenden Schweizer Nutzfahrzeugmarkt konnte Mercedes-Benz als einer der wenigen Hersteller 2022 deutlich zulegen. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
Unser Erfolgsrezept ist zum einen eine tolle Produktpalette, die das Attribut Premium und entsprechend auch ein etwas höheres Pricing rechtfertigt. Zum anderen verfügen wir in der Schweiz auch über ein hervorragendes, professionelles und dichtes Händlernetz. Darauf können sich unsere Kunden stets verlassen, egal wo sie unterwegs sind. Die Einsatzbereitschaft, neudeutsch «Up-Time» ist für uns neben den TCO (Total Cost of Ownership) und den hohen Restwerten ein weiteres Argument, weshalb sich unsere Vans trotz etwas höherem Listenpreis lohnen. Zudem bieten wir in Zusammenarbeit mit rund 170 Aufbauherstellern stets eine massgeschneiderte Lösung. Unsere vielfältigen und hochwertigen Vans sind quasi das Pendant zum Schweizer Taschenmesser.
Bei den E-Fahrzeugen proklamiert Mercedes-Benz Vans im Bereich der mittelgrossen und grossen Vans die Marktführerschaft. Wie fielen die bisherigen Feedbacks der Kunden aus, die den Umstieg auf die E-Mobilität wagten?
Wir haben viele kommunale, aber auch privatwirtschaftliche Kunden, die den Umstieg auf einen E-Fuhrpark bereits getätigt haben und damit sehr zufrieden sind. Bei einigen Handwerkerbetrieben oder Bäckereien mit einem Radius von 50 bis 100 Kilometern, welche das Fahrzeug in den Ruhezeiten am Firmenstandort wieder laden können, sind unsere E-Vans aktuell besonders beliebt.
Wir werden im aktuellen Jahr unsere gesamte Van-Produktpalette vom Small Van über den Mid Size bis hin zum Large Van elektrifiziert haben. Mit unserem neuen eVito mit einer Reichweite von über 300 Kilometern und unserem neuen eSprinter in der Pipeline mit über 400 Kilometern Reichweite werden wir allen Kundenansprüchen im privaten, aber auch im kommerziellen Bereich gerecht werden können.
Der neue eSprinter komplettierte kürzlich das elektrische Van-Portfolio von Mercedes-Benz. Was erhoffen Sie sich von diesem?
Beim neuen eSprinter bieten wir eine Kasten- und eine Chassisversion an, sodass wir verschiedene Aufbauten für die Plattform bieten können. Ich denke, dass dessen vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Zusammenspiel mit der neuen Batterie ein tolles Paket bieten.
Mit einem Mikro-Camper auf EQT-Basis soll in Kürze auch Campieren elektrifiziert werden …
Unser Mikro-Camper wird auf Basis der Langversion des EQT hergestellt und soll eine sportliche, aktive und junge Käuferschaft ansprechen, die Hobby und Übernachtung kombinieren möchten. Diese Zielgruppe ist besonders freizeitaktiv und sehr umweltbewusst, weshalb das Anbieten von elektrischen Modellen unabdingbar ist. Dass Campen in der näheren Umgebung immer attraktiver wird, hat sich während Corona bereits herauskristallisiert.
Mit 290 E-Vans liegt der Anteil an den Gesamtverkäufen der Sparte Vans (6166) noch immer unter 5 %. Welche Hürden gilt es noch zu überwinden?
Das Fahrzeug muss grundsätzlich den Tagesbedarf hinsichtlich Reichweite decken können, sonst wird es für die Betriebe unmöglich, das Fahrzeug kostendeckend zu betreiben. Der zweite wichtige Aspekt ist die richtige Ladeinfrastruktur, damit das Fahrzeug am nächsten Tag wieder voll einsatzfähig ist. Hier ist die Schweiz bereits gut aufgestellt. Auf politischer Ebene besteht allerdings noch Aufholpotenzial, um die Transformation hin zu einer vollelektrischen Zukunft weiter voranzutreiben. Nicht nur bei der Anschaffung fehlt es an Unterstützung, sondern auch in der Nutzungsphase mangelt es an Incentives beim Aufbau der Ladeinfrastruktur. Ich spreche nicht nur von finanziellen Anreizen, sondern auch von schnellen Genehmigungen, beispielsweise Baugenehmigungen für umfassende Ladestationen auf den Firmengeländen und in Wohnüberbauungen. Öffentliche Schnellladestationen sind schön und gut, letztlich werden die Fuhrparks aber vornehmlich auf den Firmengeländen oder bei den Mitarbeitenden geladen.
Worin sehen Sie den ROI bei der Anschaffung eines Premium-NFZ für Firmen?
Das müssen handfeste Gründe sein. Unsere Fahrzeuge bieten einen Produktvorteil, da wir praktische, kundenindividuelle Lösungen anbieten, die funktionieren, umweltfreundlich und effizient sind sowie über einen
hohen Restwert verfügen – gepaart mit flächendeckendem und hervorragendem Service, damit die Fahrzeuge stets schnell wieder auf der Strasse sind. Wenn man diese Faktoren kombiniert, erhält man ein gutes Produkt im Sinne der Total Cost of Ownership. Hinzu kommen die zahlreichen Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit den Aufbauern, die ein massgeschneidertes Fahrzeug ermöglichen, wobei der Kunde zu Beginn etwas mehr bezahlt, was sich über die Jahre aber auszahlt.