Zu Besuch in Göteborgs Green City Zone
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Göteborg will zur Mobilitätsstadt der Zukunft avancieren und den Verkehr bis 2030 emissionsfrei abwickeln. Deshalb wurde 2021 die «Green City Zone» ins Leben gerufen, wo Mobilitäts- und Infrastrukturtechnologien der Zukunft bereits heute erprobt werden. Wir haben der ambitionierten schwedischen Hafenstadt einen Besuch abgestattet.
Text: Rafael Künzle
Göteborg Ende April 2023: 12 Grad, die Sonne scheint. Vom eisigen Wind, der vom Fluss Göta älv durch das aufstrebende Hafenviertel Lindholmen zieht, lassen sich die Schweden nicht beeindrucken. Einige Hartgesottene schlendern in T-Shirts an uns vorbei, während wir schnellstmöglich ins Taxi huschen. Kein gewöhnliches. Der Volvo XC40 Recharge von Cabonline, dem grössten Taxiunternehmen Skandinaviens, ist eines von 20 modifizierten Fahrzeugen, welches sich ohne Kabel aufladen lässt.
So funktioniert das induktive Laden
Sobald ein kompatibles E-Fahrzeug über einer in den Boden eingelassenen Ladestation parkt, beginnt der Ladevorgang automatisch – der Fahrer muss nicht einmal aussteigen. Navigiert wird mittels 360-Grad-Kamerasystem, um perfekt auf der Ladeinheit zu parken. Über ein Ladepad sendet die einige Meter entfernt stehende Station rund 40 kW Strom an den Empfänger im Auto. Insgesamt sind vier induktive Ladestation an zwei Standorten während einer dreijährigen Testphase in Betrieb. Die vollelektrischen Volvo Taxis sind mehr als zwölf Stunden pro Tag im Einsatz und legen jährlich rund 100'000 Kilometer zurück. Damit stellen sich die Elektroautos auch dem ersten Dauertest in einem kommerziellen Nutzungsszenario.
Das induktive Laden ist eines von mehreren Projekten im Rahmen der Göteborger «Green City Zone»-Initiative, die sich für die beschleunigte Entwicklung nachhaltiger Technik einsetzt. «Göteborgs Green City Zone ermöglicht es uns, neue Technik in einer realen Umgebung auszuprobieren und ihre zukünftige, flächendeckende Einführung zu bewerten», erklärt uns Mats Moberg, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Volvo Cars. «Die Erprobung neuer Ladeprozesse zusammen mit ausgewählten Partnern ist ein guter Weg, um alternative Ladeoptionen für unsere zukünftigen Elektrofahrzeuge zu evaluieren.»
Vehicle to grid
Nach einer kurzen Fahrt im induktiv ladenden Taxi werden wir von Lars Bern im Wissenschaftspark Lindholmen empfangen. Der Projektleiter des Wissenschaftsparks ist einer der Akteure hinter Public EV Power Pilots, (PEPP), einem weiteren Puzzleteil der Green City Zone. PEPP untersucht, ob Fahrzeuge als Energiespeicher zum Ausgleich der Stromnetze eingesetzt werden können, das Verfahren wird auch «Vehicle to grid» (V2G) genannt. Unter «Vehicle to grid» (V2G), versteht man die Abgabe von elektrischem Strom aus den Akkus von Elektroautos zurück in das öffentliche Stromnetz.
Zwei unterschiedliche Tests
In Göteborg werden zwei verschiedene V2G-Tests durchgeführt. In einem werden sechs geparkte Autos in einem Parkhaus bei Lindholmen verwendet. Der zweite Test basiert auf dem Fahrgemeinschaftsservice von Volvo On Demand. Auch hier geht es darum, Energie von sechs geparkten Autos zu leihen. «Einer der grössten Unterschiede zwischen den beiden Tests besteht darin, dass Autos, die in Parkhäusern geparkt sind, länger stehen bleiben als Autos, die für den Fahrgemeinschaftsservice genutzt werden», erläutert Bern.
Bei den Tests geht es gemäss Lars Bern vor allem darum, Nutzerstudien durchzuführen und Zugang zu Informationen für eine Ausweitung zu erhalten. Im Mittelpunkt steht auch die Frage, welche Anreize die Nutzer für die gemeinsame Nutzung von Energie haben.
REDIG
Unsere Reise durch die Green City Zone führt weiter in den Eventdistrikt. Denn auch Veranstaltungen sollen ihren Kohlendioxidausstoss stark reduzieren. Das Projekt REDIG analysiert Fahrzeugbewegungen und Gütertransporte von und zum Veranstaltungsviertel. Dadurch soll ein Verständnis für die Art der Güter, der Lieferorte, des Frachtaufkommens, der Fahrzeugbewegungen und andere Einflussfaktoren gewonnen werden, welche die Grundlage für eine zukünftige Logistiklösung für Menschen und Güter bilden. Im Rahmen von «REDIG» werden auch Gestaltungsprinzipien für ein erstes grosses Logistikzentrum entwickelt.
Die Green-Hub-Initiative
Ein weiteres Puzzleteil der Green City Zone ist die Green-Hub-Initiative des technischen Dienstleisters Bravida im Zentrum der Stadt. Bei Green Hub handelt es sich um einen emissionsfreien Transport des Servicepersonals durch den Einsatz von Mikromobilität. Das heisst: Statt Autos und Transporter kommen E-Bikes, E-Mopeds, Velos oder die Füsse zum Einsatz.
Elektrische Busse
Bereits 2015 wurden Elektrobusse von Volvo in Göteborg in Betrieb genommen. Seit der Lancierung der Green City Zone 2021 sind rund 200 elektrifizierte Volvo-Busse auf den Strassen der Stadt unterwegs und bedienen 34 Linien in und um Göteborg. Wenn eine Busbatterie ausgetauscht werden muss, ist sie keineswegs unbrauchbar: Sie verfügt noch über eine beträchtliche Kapazität und kann für die statische Energiespeicherung wiederverwendet werden. In Göteborg werden ehemalige Busbatterien bereits zur Speicherung von Solarenergie für Wohnanlagen wie "BRF Viva" verwendet, einem der innovativsten und nachhaltigsten Wohnungsbauprojekte des Landes.
Strassensicherheit durch Geofencing
Die heutige Generation von Elektrofahrzeugen ist grösstenteils vernetzt. Mit Hilfe von Geofencing können bestimmte Bereiche in Göteborg als "sensibel" gekennzeichnet werden - wie zum Beispiel Strassen in der Nähe von Schulen. Wenn ein Fahrzeug in diese Bereiche einfährt, kann seine Geschwindigkeit auf ein bestimmtes Niveau begrenzt werden, was das Unfallrisiko verringert und Anwohnern zusätzliche Sicherheit bietet. Die Technologie wurde bereits in den elektrifizierten Stadtbussen von Volvo eingeführt.
Die genannten Projekte sind einige von vielen im Rahmen der Green City-Zone Initiative, welche 2021 gemeinsam von der Stadt Göteborg, Volvo Cars und den schwedischen RISE-Forschungsinstituten gestartet wurde. Mittlerweile sind das Interesse und die Beteiligung gross: Die neuen Lösungen werden unter Einbeziehung von Partnern aus der Stadtverwaltung, der Industrie, Forschungsinstituten, Universitäten und nicht zuletzt den Bürgern entwickelt. Das endgültige Ziel ist ein klimaneutrales städtisches Verkehrssystem bis 2030.