01. Februar 2019

«WLTP-Flaute könnte sich 2019 in Rückenwind verwandeln»

Mehr Sorge als das verfehlen der 300'000er-Grenze bei den Neuzulassungen bereiten dem auto-schweiz-Präsidenten die Anti-Auto-Organisationen. Von ihnen wünscht sich François Launaz, dass sie realistischer denken, wie er im Interview sagt.

«WLTP-Flaute könnte sich 2019 in Rückenwind verwandeln»

François Launaz, Präsident der Vereinigung Schweizer Automobilimporteure auto-schweiz.

Interview: Mario Borri

 

Die psychologische Grenze von 300'000 Neuzulassungen wurde knapp verfehlt – was war Ihre erste Reaktion als Sie das realisierten?

Das ist nicht weiter tragisch. Wegen dreihundert Autos diese optische Marke verpasst zu haben, spielt keine grosse Rolle. Vor allem gibt es gute Erklärungen dafür.

 

Welche?

Ganz klar die Umstellung auf die Abgasnorm Euro 6c für alle Personenwagen und damit die flächendeckende Einführung des Prüfzyklus WLTP. Dieser ist mit seinen realistischeren Verbrauchsangaben ein Vorteil für die Kunden. Für die Hersteller ist aber dadurch die Homologation von Fahrzeugmodellen deutlich aufwendiger und zeitintensiver geworden. Auslieferungen, die sich durch die Umstellung verzögert haben, könnten uns aber auch ein bisschen Rückenwind für das erste Quartal 2019 geben.

 

Wie schon 2017 war der Dezember 2018 im Vergleich zum Vorjahresmonat relativ stark rückläufig – warum?

Zunächst hatte der Dezember weniger Arbeitstage als der Vorjahresmonat. Dann haben die CO2-Vorgaben einen grossen Einfluss auf den Jahresendspurt, nicht nur in der Schweiz. Fahrzeuge mit alternativen Antrieben werden dann eher in der EU eingelöst, weil eine mögliche Busse für die viel grössere Flotte dort deutlich höher wäre als in der Schweiz. Deshalb plädieren wir schon länger für die Anrechnung der Schweiz an den gesamteuropäischen CO2-Flottenwert pro Marke. Auch der Quartals- oder Jahresbonus kann sowohl bei Importeuren als auch bei Händlern einen Einfluss haben.

 

Wann wird sich die WLTP-Problematik entschärfen?

Wir hoffen, dass das Problem im Laufe des ersten Quartals gelöst wird. Im Herbst droht aber mit der flächendeckenden Einführung der Abgasmessung im Fahrbetrieb, der Real Driving Emissions neues Ungemach. Die Hersteller haben aber sicherlich aus der WLTP-Geschichte ihre Lehren gezogen.

 

Es fällt auf, dass alle AMAG-Marke mehr verloren haben als der Gesamtmarkt – auf was führen Sie das zurück?

Da muss man nur die Interviews von hochrangigen Volkswagen-Managern aus den letzten Monaten lesen, die früh und transparent auf das WLTP-Problem hingewiesen haben. Beim VW-Konzern waren viele Ingenieure mit der Aufarbeitung der Diesel-Thematik beschäftigt und konnten nicht rechtzeitig die zahlreichen Modellvarianten homologieren lassen.

 

Der Marktanteil von Dieselfahrzeugen ist von rund 36 auf 30 Prozent gesunken – wird dieser Negativtrend weiter andauern?

Es scheint, dass sich der Marktanteil bei diesen 30 Prozent stabilisiert hat. Im Dezember lagen wir sogar leicht darüber. Die weitere Entwicklung ist derzeit nicht absehbar. Sie hängt auch vom Verlauf der öffentlichen Diskussion ab.

 

Was könnte eine weitere Abwärtsspirale aufhalten?

Eine sachlichere Diskussion über die unterschiedlichen Antriebskonzepte und ihren optimalen Einsatz wäre wünschenswert. Der Diesel ist auf der Langstrecke immer noch die optimale Motorisierung. 70 Prozent der jährlichen Kilometerleistung von Personenwagen werden von lediglich 30 Prozent der Fahrzeuge zurückgelegt. Wir brauchen bei diesem Thema weniger Emotionen und mehr Fakten.

 

Die Alternativen haben erwartungsgemäss zugelegt. Spitzenreiter sind hier immer noch die Benzin-Hybride vor den reinen E-Mobilen. Wann werden die ausschliesslich batterieelektrischen Fahrzeuge die Hybride überholen?

Viele Verbrennungsmotoren werden in den nächsten Jahren elektrifiziert werden, etwa als Mild- oder Plug-in-Hybrid. Deren Zahl wird also weiter stark steigen. Aber auch reine Elektrofahrzeuge werden zulegen können. Wann diese jedoch die Hybride überholen werden, ist derzeit nicht absehbar.

 

Was kann diesen Prozess beschleunigen?

Die schnell wachsende Modellauswahl im reinelektrischen Bereich wird zwangsläufig zu einem Wachstum in diesem Bereich führen. Fast alle Hersteller haben für die kommenden Jahre entsprechende Fahrzeuge angekündigt. Nach und nach werden wir die grossen Nachteile der Elektromobilität lösen können: die niedrigere Reichweite mit einer Akkuladung, die fehlende Lade-Infrastruktur und der derzeit noch höhere Preis im Vergleich zu ähnlichen Modellen mit Verbrennungsmotor. Die Schnellladeleistungen gehen ebenfalls stetig nach oben. Wenn Sie nur noch eine Toiletten- oder Kaffeepause zum Aufladen benötigen, gibt es kein Zeitproblem mehr.

 

Unter dem Titel 10/20 hat auto-schweiz ein ehrgeiziges Branchenziel vor Augen – 2020 sollen 10 Prozent der Neuzulassungen reine Elektroautos oder Plug-in-Hybride sein. Ist das noch realistisch?

Wir haben 2018 bereits 3,2 Prozent Marktanteil dieser Steckerfahrzeuge erreicht. Nun kommt von zahlreichen Marken eine Modelloffensive in diesem Bereich. Dieses und nächstes Jahr wird einiges passieren, sowohl bei Elektroautos als bei Plug-in-Hybriden und anderen Alternativ-Antrieben. Wir werden sehen, ob die Rahmenbedingungen bis dahin soweit stimmen, dass der Markt sie auch in dieser Grössenordnung annimmt.

 

Apropos realistisch: Die EU plant für die Jahre ab 2030 eine extreme Verschärfung der CO2-Grenzwerte – was sagen Sie dazu?

Die Ziele sind aus heutiger Sicht nicht zu erreichen. Ausser, die Konsumenten ändern von heute auf morgen ihre Gewohnheiten radikal oder sämtliche europäischen Länder applizieren eine steuermittelfinanzierte Förderung der E-Mobilität auf dem Niveau von Norwegen. Das würde allerdings sehr viel Geld kosten, die Norweger haben inzwischen 2,5 Milliarden Euro investiert – für einen Automarkt, der halb so gross ist wie derjenige der Schweiz.

 

Wie sieht es mit der näheren Zukunft aus – sind die Importeure bereit für die ab 2020 geltende Grenze von 95 g CO2 pro Kilometer?

In der EU sollte dieses Ziel machbar sein, wohl auch schon 2020 oder 2021. In der Schweiz schaffen wir das erst einige Jahre später. Der hiesige Markt liegt unseren letzten Erkenntnissen nach im Durchschnitt rund 20 Gramm CO2 pro Kilometer höher als die EU. Wenn nicht viele Kunden von heute auf morgen Elektroautos kaufen, ist das schier unmöglich.

 

Der Marktanteil von Allradfahrzeugen steigt aber weiter an, ist nun bei 49,1 Prozent – wie passt das zusammen?

Wir leben nicht im Kommunismus. Der Kunde bekommt, was er wünscht, und das ist heutzutage vor allem Sicherheit im Winter in Form von 4x4. Auch hier hilft uns die Elektrifizierung weiter: Ein Allradfahrzeug als Elektroauto oder Plug-in-Hybrid stellt CO2-technisch kein Problem mehr dar.

 

Welches sind die grössten Herausforderungen für die Autobranche 2019?

Sicherlich bleibt uns das Thema CO2 erhalten, nicht nur im Markt, sondern mit der Behandlung des CO2-Gesetzes im Parlament auch auf regulatorischer Ebene. Zudem wird die flächendeckende Einführung der Abgasmessung im Fahrbetrieb, der Real Driving Emissions, eine Herausforderung. Das dritte wichtige Thema dürfte Infrastruktur werden, sowohl strassenseitig als auch die Lade- und Tankmöglichkeiten für alternative Antriebe betreffend.

 

Wird die 300’000er-Marke in diesem Jahr wieder übertroffen?

Davon gehen wir aus, alle Voraussetzungen dafür sind vorhanden. Vorausgesetzt, die Konjunktur bricht nicht unerwartet stark ein.

 

Was ist der Worst Case, der 2019 eintreten könnte? Was wäre genial?

Negativ wäre eine unrealistische Anpassung des CO2-Gesetzes durch das Parlament. Die eidgenössischen Wahlen im Herbst können hier noch einen Einfluss haben, in welche Richtung auch immer. Sehr begrüssenswert wäre es, wenn Organisationen, die sich gegen das Auto einsetzen, ein bisschen realistischer und vernünftiger denken würden. Das wäre ein grosser Gewinn für unsere Gesellschaft.

 

www.auto.swiss

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