Unerlaubte Privatfahrt mit dem Dienstwagen – wer haftet im Schadenfall?
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Die Poolfahrzeuge der Firma XY dürfen nur für geschäftliche Fahrten verwendet werden. Trotzdem verwendet ein Arbeitnehmender das haftpflichtversicherte Poolfahrzeug für eine Privatfahrt. Dabei verursacht er bei einem Ausweichmanöver aufgrund von kreuzendem Wild einen Sachschaden am Fahrzeug. Diesen Schaden will die Arbeitgeberin nicht aus eigener Tasche bezahlen. Können die Reparaturkosten auf den betreffenden Arbeitnehmenden abgewälzt werden?
Im vorliegenden Fall hat die Arbeitgeberin zum Umgang mit dem Poolfahrzeug eine klare Weisung nach Art. 321d des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) erteilt. Im Schadenfall stellt sich die Frage, ob das Poolfahrzeug während einer dienstlichen oder einer ausserdienstlichen Verrichtung beschädigt wurde und ob damit die Weisung der Arbeitgeberin verletzt wurde.
1. Schaden bei dienstlicher Verrichtung
Die Betriebskosten und das Betriebsrisiko eines zu Geschäftszwecken eingesetzten Poolfahrzeugs fallen während der Arbeitsverrichtung in die Risikosphäre der Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin muss das Unfallrisiko und die damit verbundenen Reparaturkosten im Grundsatz vollständig übernehmen. Eine Mithaftung des Arbeitnehmenden ist je nach Umfang seines Verschuldens jedoch möglich (Art. 321e OR). Bei leichter Fahrlässigkeit ist eine Mithaftung des Arbeitnehmenden im Normalfall gering (maximal ein Monatslohn) oder sogar ganz ausgeschlossen. Bei mittlerer oder grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmende stufenweise für einen Teil des Schadens mit bis zu einem Maximum von drei Monatslöhnen. Bei einem absichtlich herbeigeführten Schaden müsste der Arbeitnehmende hingegen vollen Schadenersatz leisten.
Bei einem Wildunfall während einer geschäftlichen Fahrt dürfte lediglich eine leichte Fahrlässigkeit und damit ein geringes Selbstverschulden vorliegen, vorausgesetzt, der Arbeitnehmende hielt sich an die geltenden Verkehrsregeln. Eine Mithaftung des Arbeitnehmenden wäre in geringem Masse möglich und die Arbeitnehmerin müsste den Schaden grösstenteils alleine tragen. Je nach den konkreten Umständen könnte eine Haftung des Arbeitnehmenden auch gänzlich entfallen.
2. Schaden bei ausserdienstlicher Verrichtung
Anders liegt die Rechtslage jedoch bei einer weisungswidrigen ausserdienstlichen Privatfahrt mit dem Poolfahrzeug. Die Arbeitgeberin kann Weisungen zum Umgang mit den Poolfahrzeugen einzelfallweise oder in Form eines Fahrzeugreglements erteilen. Weisungen der Arbeitgeberin müssen vom Arbeitnehmer innerhalb des gesetzlichen und vertraglichen Rahmens befolgt werden. An der Weisung der Arbeitgeberin, das Poolfahrzeug nicht für private Fahrten einzusetzen, ist diesbezüglich nichts auszusetzen. Als Eigentümerin und Fahrzeughalterin ist die Arbeitgeberin ohne weiteres berechtigt, Weisungen zum Einsatz und Umgang mit ihren Poolfahrzeugen zu erteilen.
Eine private, weisungswidrige Verwendung des Poolfahrzeugs stellt eine klare Verletzung des Arbeitsvertrags bzw. des Fahrzeugreglements, welches Inhalt des Arbeitsvertrags ist, dar. Diese Vertragsverletzung ist für sich alleine genommen bereits mindestens ein grob fahrlässiges, wenn nicht sogar eventualvorsätzliches Verhalten des Arbeitnehmenden. Der Arbeitnehmende hat durch sein weisungswidriges Verhalten die mögliche Schädigung in krasser Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Sorgfaltspflichten grobfahrlässig verschuldet oder die Schädigung der Arbeitgeberin sogar bewusst in Kauf genommen. Falls er im Rahmen der Schadensverursachung auch die geltenden Verkehrsregeln verletzt haben sollte, wiegt sein Verschulden umso schwerer.
Der Arbeitnehmende muss der Arbeitgeberin deshalb vollen Schadenersatz für den entstandenen Schaden leisten. Falls eine Kaskoversicherung vorhanden ist, umfasst der Schadenersatz den Selbstbehalt der Arbeitgeberin gegenüber der Versicherung (der restliche Schaden ist durch die Kaskoversicherung gedeckt). Da das Poolfahrzeug im vorliegenden Fall jedoch bloss über eine Haftpflichtversicherung verfügte, umfasst der Schadenersatz den gesamten am Poolfahrzeug entstandenen Schaden. Im Falle einer Reparatur sind die Reparaturkosten sowie der Wertverlust des Poolfahrzeugs (Unfallfahrzeug) zu ersetzen. Im Falle eines Totalschadens ist der Restwert des Fahrzeugs zu ersetzen.
Hinzu kommt ein möglicher Regressbetrag der Versicherung der Arbeitgeberin für den am Dritteigentum möglicherweise entstandenen Schaden (beschädigte Fahrbahnbegrenzung, Wald- und Umgebungsschaden etc.) sowie für die Kosten des Rettungseinsatzes (z. B. Kosten des Polizei-, Sanitäts- oder Wildhütereinsatzes, Abschleppkosten etc.).
3. Weitere disziplinarische Massnahmen
Die Verletzung einer Weisung nach Art. 321d OR kann zudem weitere disziplinarische Massnahmen zur Folge haben. Der Arbeitnehmende muss mit einer Verwarnung oder einem Verweis durch die Arbeitgeberin rechnen. Denkbar wären auch finanzielle Konsequenzen, z. B. die Reduktion oder Verweigerungeiner Gratifikation (umgangssprachlich «Bonus»), eine Konventionalstrafe oder eine Busse, sofern diese Massnahmen im Arbeitsvertrag oder in einem Betriebsreglement vorgesehen sind.
In besonders schweren Fällen ist die Arbeitgeberin sodann berechtigt, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen. Die rechtlichen Schranken für eine fristlose Kündigung (Art. 337 OR) sind jedoch sehr hoch und erfordern eine besonders schwere Pflichtverletzung, welche das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien unwiederbringlich zerstört hat. Eine fristlose Kündigung könnte im vorliegenden Fall berechtigt sein, falls der Arbeitnehmende zum wiederholten Male die Weisungen der Arbeitgeberin nicht befolgte und vorgängig bereits verwarnt wurde oder wenn der Schaden durch eine schwere Verletzung der Verkehrsregeln verursacht wurde (z. B. massive Geschwindigkeitsüberschreitung, Fahren unter Drogen- oder Alkoholeinfluss).
4. Strafrechtliche Konsequenzen
Neben einer Leistung von Schadenersatz sowie disziplinarischen Massnahmen im Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmende zusätzlich mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Gemäss Art. 94 Abs. 3 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) wird mit Busse bis zu CHF 10 000 bestraft, «wer ein ihm anvertrautes Motorfahrzeug zu Fahrten verwendet, zu denen er offensichtlich nicht ermächtigt ist». Durch die klare Weisung der Arbeitgeberin lag keine Ermächtigung vor,das Poolfahrzeug für private Fahrten zu verwenden, was dem Arbeitnehmenden ohne weiteres bekannt war. Indem sich der Arbeitnehmende über die Weisung der Arbeitgeberin hinwegsetzte, verletzte er diese Weisung in vorsätzlicher Weise und machte sich strafbar.
Bei der Strafnorm handelt es sich jedoch um ein Antragsdelikt, welches nicht von Amtes wegen verfolgt wird. Die Arbeitgeberin kann nach eigenem Ermessen innerhalb von drei Monaten nach Tatbegehung einen Strafantrag stellen.
5. Fazit
Arbeitnehmende sind gut beraten, die Weisungen und Reglemente der Arbeitgeberin einzuhalten. Widerhandlungen gegen klare Weisungen der Arbeitgeberin berechtigen Letztere nicht nur dazu, disziplinarische Massnahmen bis hin zur fristlosen Entlassung zu ergreifen. Arbeitnehmende werden darüber hinaus auch schadenersatzpflichtig, sofern ihnen ein Verschulden am entstandenen Schaden nachgewiesen werden kann, was bei weisungswidrigem Verhalten regelmässig der Fall ist.
Im vorliegenden Fall wäre der Arbeitnehmende gut beraten gewesen, vor der Privatfahrt wenigstens eine schriftliche Ermächtigung des Poolverantwortlichen einzuholen. Dies hätte sein Haftungsrisiko zumindest auf eine leichte Fahrlässigkeit reduziert, vorausgesetzt, er hielt sich an die vorgeschriebenen Verkehrsregeln. Der Arbeitgeberin ist im Gegenzug zu raten, den Umgang mit ihren Poolfahrzeugen durch (schriftliche) Weisungen oder Fahrzeugreglemente klar zu regeln und konsequent für deren Einhaltung zu sorgen. Dies erleichtert es der Arbeitgeberin im Schadenfall, bei Bedarf die Haftung auf den Arbeitnehmer abzuwälzen oder die erforderlichen disziplinarischen Massnahmen zu ergreifen.
Die Rubrik Rechtsfragen führt aboutFLEET in Kooperation mit dem Schweizer Mobilitätsverband sffv sowie BÜHLMANN KOENIG & PARTNER, eine auf Wirtschaftsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei mitten in Zürich. Klienten sind vornehmlich Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungs-, Industrie- und Konsumgütersektor. Die Kanzlei ist vorwiegend im Vertrags-, Finanz- und Gesellschaftsrecht tätig und erbringt auch Steuerberatung. BÜHLMANN KOENIG & PARTNER legt grossen Wert auf hochstehende Dienstleistungen zu fairen Preisen. Die Kanzlei ist stark international ausgerichtet und Mitglied von Lexlink, einem internationalen Verbund von kleineren wirtschaftsrechtlich fokussierten Anwaltskanzleien.
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