15. September 2020

Mauro Zanello, Director Fleet bei Volvo im Exklusivinterview: «Der Trend geht in Richtung Individualverkehr»

Seit 2016 lenkt Mauro Zanello als Fleet Director das Flottenbusiness von Volvo in der Schweiz. aboutFLEET sprach mit ihm über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Flottenbranche, die E-Offensive der Schweden und die Zukunft des Selbstzünders.

Mauro Zanello, Director Fleet bei Volvo im Exklusivinterview: «Der Trend geht in Richtung Individualverkehr»
Mauro Zanello, Director Fleet bei Volvo im Exklusivinterview: «Der Trend geht in Richtung Individualverkehr»

Interview: Rafael Künzle

 

 

aboutFLEET: Sie kennen die Automobilbranche bald 30 Jahre. Haben Sie jemals ein ähnlich einschneidendes Ereignis für die Branche wie die momentane Corona-Krise erlebt?

Mauro Zanello: Nach der Finanzkrise 2008 hatten wir eine ähnliche Situation, die durchaus Parallelen zu heute hatte, zumal viele Unternehmen durch die sich abzeichnende Rezession und fallende Aktienkurse in Schwierigkeiten gerieten und somit auch strukturelle Anpas­sungen vorgenommen werden mussten. Glücklicherweise blieben uns damals extreme Konsequenzen, wie zum Beispiel die Schlies­sungen der Grenzen und das zum Teil damit verbundene Herunterfahren eines grossen Teils der Wirtschaft, erspart.
 

 

Wie gehen Sie persönlich mit der Situation um?

Ich informiere mich sehr intensiv und differenziert über unterschiedliche nationale und internationale Medien, was in der Schweiz und weltweit über das Thema und die Auswirkung auf die Weltwirtschaft berichtet wird. Somit kann ich mir meine persönlichen Urteile bilden, Schlussfolgerungen ziehen und entsprechend handeln.
 

 

Während der Gesamtmarkt im ersten Halbjahr um über ein Drittel einbrach, musste Volvo bei den Personenwagen lediglich einen Rückgang von rund 20 % hinnehmen. Worauf führen Sie dies zurück und wie sieht die Halbjahresbilanz bei den Flotten aus?

In den letzten Jahren hat sich Volvo als sehr ernst zu nehmender Hersteller qualitativer und schöner Fahrzeuge etabliert. Die Nachfrage nach unseren Fahrzeugen hat sich im B2B-Bereich zwischen 2016 und 2019 mit 93 % mehr Verkäufen fast verdoppelt. Vergleichen wir die effektiven Verkaufszahlen des ersten Halbjahrs 2019 vs. 2020, ist der Rückstand bei den Flotten lediglich –16 %, was für uns spricht. Wir konnten zudem mit etlichen strategischen Kunden neue tolle Partnerschaften aufbauen, welche trotz der schwierigen Zeit gut weitergeführt werden konnten.

 

 

Während die Verbrenner Einbussen hinnehmen mussten, konnten Plug-in-Hybride und Vollelektrofahrzeuge trotz Krise zulegen. Dies dürfte Volvo in die Karten spielen, da der Konzern ja derzeit zur E-Offensive bläst ...

Im Sommer 2017 haben wir uns als erster traditioneller Fahrzeughersteller voll und ganz der Elektrifizierung verschrieben und Folgendes festgelegt: Ab 2019 soll jeder neue Volvo mit einem Elektromotor aus­gestattet sein, und die ausschliesslich mit einem Verbrennungsmotor betriebenen Fahrzeuge sollen auslaufen.

In den kommenden fünf Jahren werden wir jedes Jahr ein neues vollelektrisches Fahrzeug herausbringen. Das erste Fahrzeug wird voraussichtlich Ende 2020 der neue XC40 RECHARGE PURE ELECTRIC P8 AWD sein. Bis 2025 wollen wir weltweit 50 % unseres Umsatzes mit reinen Elektrofahrzeugen erzielen, den Rest mit Hybriden. Bereits 2020 will Volvo Cars den weltweiten Anteil von Plug-in-Hybriden am Gesamtumsatz auf 20 % steigern.
 

 

Was hat Volvo in Bezug auf Plug-in-Hybride und Elektrofahrzeuge zu bieten?

Wir haben eine führende Rolle in der Elek­trifizierung und bei den Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen übernommen. Da wir bereits heute bei jedem Modell über eine Plug-in-Hybrid-Version verfügen, können wir uns über einen ansehnlichen Marktanteil erfreuen und diesen weiterhin sichern.
 

 

Für welche Unternehmen sind die Teil- und Vollzeitelektriker bereits eine Alternative?

Unsere elektrifizierten Fahrzeuge kommen als Firmenfahrzeug wie auch bei den User-Choosern aller Branchen, welche auf nachhaltige Mobilität – verbunden mit innovativen Sicherheitssystemen – Wert legen, sehr gut an. Darüber hinaus sind diese Unternehmungen modern geführt und setzen den strategischen Wettbewerbsvorteil gekonnt um.
 

 

Während der Elektromotor ein Revival erlebt, geht die Ära des Selbstzünders wohl dem Ende entgegen. Volvo hat vor einiger Zeit beschlossen, den Diesel nicht mehr weiterzuentwickeln. Müssen sich Kunden, die eines Ihrer Dieselfahrzeuge möchten, beeilen?

Die Nachfrage nach Dieselmotoren ist immer noch stark vorhanden. Wie schon erwähnt, wird der reine Dieselmotor verschwinden und nur noch in Verbindung mit einem Elektroaggregat zur Verfügung stehen. Stand heute können wir zum Glück noch bei den meisten Modellen die Mildhybrid-Diesel-Versionen anbieten. Wir versuchen jedoch bei jedem Kundengespräch, den Kunden zu sensibilisieren und die Benzin- und Hybridvarianten als Alternative anzubieten.
 

 

Schmerzt dieser Abschied den Fleet Director besonders? Schliesslich ist der Diesel nach wie vor das bevorzugte Aggregat von Flotten.

Mir persönlich ist der Dieselmotor noch immer sehr sympathisch, da Leistung, Drehmoment und Verbrauch passen – trotzdem muss auch ich von diesem Antriebskonzept langsam Abschied nehmen. Aus der Sicht des Flottenbetreibers ist die Dieselversion in Bezug auf die TCO (Gesamtkosten des Betriebs) noch immer sehr interessant gegenüber einem vergleichbaren elektrifizierten Fahrzeug.
 

 

Eine weitere Flotteninstitution, der Kombi, scheint ebenfalls vom Aussterben bedroht zu sein. Selbst Volvo, eine Marke mit langjähriger Kombi-Tradition, verkauft in der Schweiz mittlerweile mehr SUV. Hat der Kombi eine Zukunft?

Generell verkaufen wir mehr SUV, gleichwohl fördern wir den Kombiverkauf erfolgreich im Flottengeschäft – hier kommt es darauf an, ob das Fahrzeug für die weisse oder die bunte Flotte vorgesehen ist. Wir haben noch immer viele Firmen, wo der SUV unerwünscht ist und das Geschäftsfahrzeug ein Kombi sein muss – man sieht vor allem Kombis, welche mit Firmenlogos beschriftet sind, und nicht SUV.

Wir sehen über unseren Verkaufskanal, dass die SUV-Modelle gerne von User-Choosern gekauft werden, wo das Geschäftliche mit dem privaten Nutzen verbunden werden kann.
 

 

Ein vollelektrischer Kombi wäre ein Novum und sicherlich begehrt im Flottensegment. Gibt es diesbezüglich Pläne?

Über zukünftige Lancierungen können wir leider keine Auskünfte geben. Ich gehe aber davon aus, dass in dieser Richtung etwas vorgesehen ist.
 

 

Wozu würden Sie derzeit einem Unter­nehmen raten, welches im Begriff ist, eine neue Fahrzeugflotte anzuschaffen?

Der Markt ist heute so ungewiss wie noch nie. Analysiert man die unterschiedlichen Entwicklungstrends der Hersteller, hebt diese Analyse den Zwiespalt und die Unbestimmtheit hervor. Nicht nur die Antriebs- und Modellfrage stellt sich den Flottenverantwortlichen. Auch die Mobilität an sich und deren Formen werden in der Corona-Krise von den Unternehmen überdacht.
 

 

Werden Mobilitätsangebote wie «Volvo Car Rent» ein künftiger Trend oder ist dies nur ein kurzzeitiger Hype aufgrund von kurzfristigen Wechseln vom ÖV auf den Individualverkehr?

Würden wir hier den Trend und die Antwort kennen, wäre die Aufgabe einfach zu lösen. Um allen möglichen zukünftigen Trends gerecht zu werden, werden Volvo sowie auch andere Hersteller versuchen, sich auf verschiedene Standbeine abzustützen, damit alle Kundenbedürfnisse abgeholt werden können und wir bereit für die Zukunft sind. Der Trend geht in Richtung Individualverkehr. Diese Nachfrage nach individuellen Kundenlösungen ist enorm gewachsen.
 

 

Was beschäftigt die Flottenverantwortlichen momentan am meisten?

Der grosse Sprung ins Ungewisse ist meiner Meinung nach, was der Beschaffungsabteilung Kopfzerbrechen bereitet. Hinzu kommen die globalen Trends und die Politik.
 

 

Haben Sie abschliessend ein paar Tipps an die Flottenverantwortlichen, um durch diese schwierigen Zeiten zu kommen?

Sich von der momentanen schwierigen Zeit nicht beirren lassen, eventuell die Flotten-Policy überdenken, anpassen und entsprechend handeln. Weiter würde ich als Flottenbetreiber versuchen, die Risiken auf ein Minimum zu reduzieren und diese somit überschaubar und kalkulierbar zu gestalten; auch, auf eine Fremdfinanzierung der Flotte zu tendieren.

 

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